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Schiller an Caroline von Beulwitz, 25. August 1789

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Jena, d. 25. Aug. [Dienstag] 89.

Dein Brief theuerste liebste Caroline hat meine Seele tief ergriffen und bewegt, und ich weiß nicht ob ich Dir sogleich etwas daraus beantworten kann. Aber vor meiner Seele steht es verklärt und helle, welcher Himmel in der Deinigen mir bereitet ligt. O was für himmlischschöne Tage öfnen sich uns – In ihrer ganzen Fülle darf ich sie mir jezt kaum denken, wenn mein Wesen nicht für die Wirklichkeit ganz unbrauchbar werden soll. Wir haben einander gefunden, wie wir für einander nur geschaffen gewesen sind. In mir lebt kein Wunsch, den meine Caroline und Lotte nicht unerschöpflich befriedigen können. Und wohl mir, Theuerstes meiner Seele, wenn ihr in mir findet, was euch glücklich machen kann. Wohl mir, Karoline, daß Du die Quelle in mir aufsuchst und Deine Foderungen, Deine Erwartungen an mein Wesen und nicht an wandelbare Erscheinungen in mir richtest. Denn ich fühle, daß in manchen Stunden nichts in mir übrig ist, als die Kraft zu etwas beßerm. Behalte diesen Glauben dieses holde Vertrauen an mein Wesen, wenn auch Wolken über meine Seele gehen und alles verhüllen. Dann nur kann ich frey und leicht vor euren Augen existiren, wenn die Sorge ganz aus mir verbannt ist, verkannt oder mißverstanden zu werden.

O wie sehnlich wünsche ich, daß ihr mich ganz durchschaut haben möchtet, alle meine Schwächen gesehen hättet, alle, und dennoch mich gewählt. Solang ich fürchten muß, daß euch Mängel in mir überraschen können, worauf ihr nicht bereitet wart, solange seid ihr nicht mein auf ewig. Eure Herzen hab’ ich durchschaut, und meine Empfindung für euch ist keinem Wandel mehr unterworfen.

An meinem Wesen haben Schicksale sehr gewaltsam gezerrt. Durch eine traurige düstre Jugend schritt ich ins Leben hinein, und eine herz- und geistlose Erziehung hemmte bei mir die leichte schöne Bewegung der ersten werdenden Gefühle. Den Schaden, den dieser unselige Anfang des Lebens in mir angerichtet hat fühle ich noch heute – Ach ich fühle ihn in diesem Augenblick! Denn ohne ihn würde selbst dieses Mißtrauen mich nicht martern.

Bereite Dich, edles Geschöpf, in mir nichts zu finden, als die Kraft zum Vortreflichen, und einen begeisterten Willen, es zu üben. Deine schöne Seele will ich auffassen. Deine schöne Empfindungen verstehen und erwiedern, aber ein Mißton in den meinigen muß Dich weder betrüben noch befremden. Glaube aber alsdann fest, daß diese fremde Gestalten meines Gemüths von außen darein gekommen sind. Die Spuren der Gestalten, die von frühen Jahren an biss jezt mich umgaben, konnte mein beßres Wesen nicht ganz von sich scheiden.

Aber Du glaubst an meine Seele, und auf diesen Glauben will ich bauen. Bei allen meinen Mängeln – denn alle sollt ihr endlich kennen – wirst Du das immer finden, was Du Einmal in mir liebtest. Meine Liebe wirst Du in mir lieben.

*

Unsre Karoline habe ich bloß ahnden können. Ihr Geist überraschte mich, in ihr ist etwas Edles und Feines das man idealisch nennen möchte. Wie wahr und wie tief sie fühlt müßte ein längerer Umgang mich lehren; daß ich im voraus daran glaube versteht sich, aber die Erscheinung gieng mir zu flüchtig vorüber, und ihr ganzes Wesen hat einen gewißen Glanz der mich blendet. Gewiß, sie ist ein ungewöhnliches Geschöpf und wollte der Himmel – es würde wahr, und sie wäre unser auf ewig!

Adieu theuerste Caroline. Dort oben, wo ich das Sternchen gemacht habe, brach ich vorhin ab, um eine Vorlesung zu halten. Die ist nun vorbey und meine Gedanken sind wieder bey meinen Lieben.

Lebe wohl und wenn Du meiner denkst, wenn schöne Träume in Dir blühen, so laß mich einen Zweig davon haben – Eure Briefe sind jezt alles, wodurch ich lebe.

Schiller.