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Schiller an Caroline von Beulwitz, 5. Dezember 1789

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Sonnabend abends. 1

Guten Abend meine liebste Caroline. Ich bin gar mismuthig darüber, daß ich euch biß auf den Montag ohne Briefe von mir weiß, die ihr doch wahrscheinlich früher von mir erwartet haben werdet. Gestern war zwar Posttag, aber das große Paquet nahm man nicht an und nachher wars zu spät den Brief einzeln fortzuschicken. Sey aber nur nicht böse. Es wird nicht mehr geschehen.

Der Coadjutor habe ich gesehen u: gesprochen, aber es kam nichts dabey heraus. Der Herzog hat uns alle einladen lassen, und in so großer heterogener Gesellschaft war an kein Particulargespräch zu denken. Der Coadjutor selbst wollte und mußte allen etwas seyn und also konnte er mir insbesondere nichts seyn. Er gefiel mir aber sehr, und Caroline D. hat recht, wenn sie sagt, daß er sich vortheilhaft verändert habe. Mit mir sprach er bloß von allgemeinen Dingen von meiner Lage in Jena, meinen gegenwärtigen Beschäftigungen, und meinen Schriften; und dann kam der Herzog immer dazwischen. Lieb ist mirs, daß ich ihn gesehen habe, auch schon allein desswegen, weil ich es jetzt überhoben bin, ihn in E. zu besuchen. Ich hätte den Tag dazu von denen nehmen müssen, die ich mit euch leben will, und in E. wären wir einander gar nichts; wie weit besser ist es da in W.! Doch wäre es recht schön, wenn euch Caroline um die Weyhnachten besuchen könnte. So sähe ich sie doch auch und wir wären durch sie nicht gestört. Willst du dieses so einrichten meine Caroline? Oder wie du willst, nur daß wir von der kurzen Zeit, die ich in W. zubringen kann, so wenig als möglich verlieren!

Es ist mir leid für euch zu hören, daß euch Knebel u. die St. so in Anspruch nehmen; dieser Mensch wird euch verfolgen, biß er geht, und am Ende wird aus seiner Abreise gar nichts, denn er weiß ja heute nie, was er morgen thun wird. Es kann ihm plötzlich wieder in W. gefallen und er bleibt. So habt ihr ihn den ganzen Winter auf dem Halse. Ihn zu beleidigen, ist auch nicht rathsam, wenn ihr euch eure Existenz mit dem Weimarischen Volk nicht verderben wollt, das sich nach seinem Urtheil richtet. Er hat mirs gleich erzählt, daß er euch bei eurer Ankunft aufgefangen habe. Wie er sagt, so will er noch vor s. Abreise auf 8 Tage hieher kommen. Das wäre recht gut. Ist es nur irgend möglich, so komme ich um die Zeit nach Weimar.

Aber dieser Mensch verfolgt uns auch auf meinem Papier. Ich habe bessere Dinge mit dir zu reden meine liebe. Mir schiens, daß dein letzter Brief anders sey als deine vorigen. Ich könnte es auf die Unruhe der Reise schieben, aber es beruhigt mich nicht. Unser Wiedersehen hat nicht gut auf dich gewirkt, du hast mehr erwartet als gefunden, wenn du dirs auch selbst nicht gestehst. Ich fürchte dieses um so mehr, weil ich mich recht gut erinnre, wie wenig ich euch eigentlich war. Diese Eilfertigkeit, diese gestohlene Augenblicke lassen mich nie ganz seyn, wie ich gern möchte. O ich habe euch mit so heißer Sehnsucht, mit einem so vollen Herzen erwartet, und ich konnte es nicht ausgiessen vor euch. Meine Freude fand keine Sprache. Habe ich dich errathen meine Liebe? Ich war dir dießmal zu wenig. Gesteh es immer, denn dieß ist ein Vorwurf, den ich so leicht widerlegen kann. Ach wenn Du erfahren wolltst wie sehr ich dich liebe, so müßtest Du mir eine neue Sprache und ein unsterbliches Leben geben. Wenn der Zwang außer uns erst hinweg seyn wird, wenn unser Leben endlich unser ist, und Gegenwart und Zukunft in großen weiten Räumen vor uns ausgebreitet liegen, dann kann auch die Liebe alle ihre Reichtümer zeigen und sich mit immer neuen und immer schöneren Blüthen überraschen. Wie oft und wie lebendig fühlt’ ich es in mir, wenn ich unter euch wohnte, welche Fülle von Liebe mein Herz noch verschließt, wie die Töne meines Herzens umsonst nach einem Ausdruck, nach einer Sprache rangen, die sie an eurem Herzen noch alle finden werden. O ihre schönsten Freuden hielt uns die Liebe noch zurück; biss jetzt konnten wir sie nur in fernen Ahndungen empfinden.

Sontag 2

Was werdet ihr heute bei diesem traurigen Wetter vorgenommen haben? Ihr werdet bey Hofe seyn und dann ist ja auch der Berliner Beulwitz bei euch. Heute wird wenig an mich gedacht werden, denn es ist nichts um euch herum, das euch an mich erinnern könnte. Desto näher ist mir euer liebes Bild. O ihr seid immer an meinem Herzen! Oft strecke ich meine Arme aus, als müßt ich euch umfassen, und es kommt mir vor, als würden meine Vorstellungen von euch lebendiger, wenn ich so handle, als wenn ich euch wirklich besäße. Ach zu welchen ohnmächtigen Hilfsmitteln nimmt die Sehnsucht ihre Zuflucht! Tausend solche Täuschungen können die Wirklichkeit nicht ersetzen, nicht ferne erreichen. Lebe wohl meine liebe. Ich muss eilen diese Briefe fortzubringen. Ein Schnupfen nimmt mir heute den Kopf ein wenig ein, sonst bin ich wohl. Leb wohl, ich küße dich tausendmal.

  1. December 1789.
  2. December.