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Schiller an Charlotte von Schiller, 6. Juli 1803

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Lauchstädt, 6. July [Mittwoch] 1803.

Es gefällt mir bis jezt noch recht wohl hier, obgleich der gänzliche Müßiggang mir etwas ungewohntes ist, und ich den Verlust der schönen Zeit bedaure. Aber dennoch sollen diese Tage nicht ganz verloren für mich seyn, weil ich mich heiter gestimmt und auch gesünder fühle, und die Sehnsucht zum Arbeiten bei mir wächßt. Gestern (als den Dienstag) ist der Herzog v. Wirt. Frühe wieder abgereißt, er war gar gut und gefällig und hat Jedermanns Liebe sich erworben. Sein einfaches Wesen sezte uns alle a notre aise und der August ist im lezten Tag so lustig und behaglich worden, daß ich ihn recht lieb gewonnen habe. Wir haben uns allerseits recht ungern von einander getrennt.

Die natürl. Tochter ist am Montag gut gegeben worden und hat, besonders die lezte Hälfte, viel Effekt gemacht, doch konnte sich das Publikum in die erstaunlichen Longeurs, die den Gang des Stücks aufhalten nicht recht finden, und ich werde Goethen sehr anliegen, es merklich zu verkürzen. Die Ansicht eines neuen Publicums giebt mir viel neue Blicke über das theatralische Wesen, und ich bin ziemlich gewiß, dass ich künftig viel bestimmter und zweckmäßiger für das Theater schrieben werde, ohne der Poesie das geringste zu vergeben.

Gestern (Dienstags) war kein Theater; die Jagemanns und ihre Gesellschaften sind auf einen Besuch nach Giebichenstein zu Rechart, und ich habe hier den Tag recht mit Nichtsthun zugebracht. Ich blieb von MittagsZeit an biß Abends immer in der Gesellschaft, die sich in der Allee und in den kleinen Pavillons herumtreibt, aber eine Anzahl junger Berliner die hier sind hat doch recht unterhaltende Gespräche veranlaßt.

Am Montag waren Niemeiers hier und haben mir keine Ruh gelassen, sie diese Woche in Halle zu besuchen, wahrscheinlich fahr ich Freitags hin. Prof. Wolf ist nach Pyrmont gereißt; aber an dem geh. Rath Schmalz, der Director der Universität, doch noch ein junger Mann von etwa 40 Jahren ist habe ich eine sehr intressante Bekanntschaft gemacht, und die erste Stunde hat uns einander sehr nahe gebracht. Er ist ein treflich philosophischer Kopf unter den Juristen, und der jovialste rüstigste Geschäftsmann.

Die Mara wird diese Woche in Halle singen und ich hoffe sie entweder dort, oder hier zu hören, denn man hat eine Suscription in Lauchstädt eröfnet, und sie wird eingeladen werden. Mich hat die Badegesellschaft beschickt, um ihnen das Comödien Hauß dazu zu erlauben, weil die Wöchner diese Erlaubniß nicht für sich ertheilen wollten. Und so habe ich denn hier schon eine gewisse Autorität ausgeübt.

Oft, liebes Herz, habe ich Deiner und der lieben Kinder gedacht, und sehne mich von Dir zu hören. Aus Weimar ist die O[ber]forstmeister Stein und ihre Mutter hier, auch die Pannewiz aus Berlin ihre Schwester. An ihnen finde ich doch wenigstens eine Bekanntschaft mit der ich im Salon von bekannten Personen und Sachen sprechen kann, denn sonst ist außer dem Theater nichts von Weiblicher Welt aus Weimar hier.

Lebewohl mit den lieben Kindern, herzlich umarme ich euch alle. Die Jageman wird diesen Brief mitnehmen; sie geht auf einige Zeit nach W. will aber wieder hieher kommen. Daß sie die natürliche Tochter spielte, habe ich negotiiert, denn sie hatte eine Heiserkeit, daß sie gar nicht mehr auftreten wollte, und man war beim Theater dieses schon angesagten Stücks wegen sehr verlegen. Weil sie aber vielen Beifall gefunden, so dankt sie mirs jezt selbst und ist sehr zufrieden.

Lebe tausendmal wohl liebes Herz. Die Frau grüße schön von mir.

S.