HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 24. November 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 24. November 1789

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Dienstag Abends 1

Ich hatte mich vorzüglich deßwegen auf eure Hieherkunft gefreut, um euch bey mir zu sehen – dieß ist aber im Grund eine Kinderey, der man auch nicht den geringsten Umstand von Folgen aufopfern muß. Beleidigtet ihr die Grießb:, so wäre es, der bewußten schlimmen Zunge wegen, nicht zu rathen, mich zu besuchen, und steht ihr gut mit ihr, so ist Uebel ärger. Ich kann es euch nicht verargen, dass euch die Scenen vom Sommer abgeschreckt haben – und weil mir euer Zwangvolles Verhältniß immer fühlbar seyn würde, so wäre eur Hierseyn für mich nur ein sehr gemischter Genuß. Bey diesen Umständen kommt die Verlängerung eurer Reise, und die Schwierigkeit, die ch. M. von der Nothwendigkeit dieses Umwegs über Jena zu überweisen auch in einige Betrachtung. Ich [– – –]

Mit meinem Hinreisen nach R. geht es aber noch weniger. Anderthalb Tage brauchte ich nothwendig, um euch 7 oder 8 Stunden – wer weiß ob nur allein? – zu geniessen, und ich kann euch versichern, daß ich diese Zeit jetzt nicht missen kann. Und diser unzeitige Austritt aus dringenden Geschäften würde mir ein so geraubtes eilfertiges Daseyn bei euch geben, daß weder ihr noch ich dieses Wiedersehens ganz froh seyn könnten. Wie sehr – ohne eine vorhergegangene Annäherung bey der ch. M. – meine jetzige Erscheinung in R. ihr und andern auffallen würde, will ich nicht erinnern.

Der nämliche Grund gilt auch von meiner Reise nach W. Man erwartet mich dort nicht vor den Ferien, weil ich es schon an mehrere geschrieben habe, und erschiene ich gleich nach eurer Ankunft, wo ihr es nicht einmal in der Gewalt habt, allein zu seyn, so würde man darüber sprechen. Und das über uns sprechen wird immer zeitig genug kommen.

– – –

Ich sinne hin und her, um noch eine Möglichkeit herauszubringen – denn hart fällt es mir, von der Hofnung zu scheiden, die mir diese 4 Wochen alles gewesen ist – Aber eure Gründe überzeugen mich – ich kann sie nicht widerlegen.

Wir sehen uns drey Wochen später – sie werden vorübergehen, aber wie? Vier Wochen von heute an, also eben so lange, als wir schon getrennt waren. Ach ich mag es nicht denken.

Nach Erfurt will ich den Winter noch einmal kommen. Gegen Ende des Jenners ohngefehr, versteht sich, in eurer Gesellschaft, Carolinens Gründe für ihr Betragen gegen Mkl sind mir nicht überzeugend. Liebte sie ihn nicht, so möchte ich wissen, welche Dankbarkeit sie zwingen könnte, gegen einen ungestümen und freyen Menschen – denn das ist er auch in ihrer Beschreibung – so viel Nachgiebigkeit zu zeigen. [– – –] Daß er sich um ihre Gesundheit sehr bekümmerte, dafür ist er ein Arzt und er ist ein schlechter Arzt, wenn er aus bloßer Liebe für seine Kunst nicht eben soviel thun kann.

Meinen Brief wird dir der Bote gebracht haben liebe Lotte. Mich freut es herzlich, dass du besser bist und dass ich deine heitre Stimmung wieder finde. In deinem Geburtstag hab ich mich geirrt, ich weiss nicht, wie ich mir aufgeschwazt habe, dass es der 19 seyn müßte. Carolinens Geburtstag weiß ich gar nicht mehr.

Für eure lieben Briefe – wie kann ich euch dafür danken. O was sind sie mir in dieser Einöde! Heute hat man mich schmerzlich lange darauf warten lassen. Es ist ein neuer Briefträger angestellt worden – gerade heute, wo ich eure Briefe zu erwarten hatte. Sonst hab ich sie um 10, heute nach 4 – ich mußte ins Collegium, ohne sie erbrochen zu haben – und lesen! Adieu meine theuersten.

S.

  1. November 1789.