HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 3. Dezember 1789

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 3. Dezember 1789

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Donnerstag Abends. 1

Jetzt seid ihr in euerm neuen Logis wohl schon eingerichtet, meine lieben, und die Bequemlichkeit hat sich auf den neuen Knebelischen Sopha gepflanzt. Alle strömt herbey euch willkommen zu heissen und hundert Vorschläge kommen aufs Tapet, euch euren Auffenthalt schön zu machen. Wie will ich froh seyn für euch, wenn ihr einmal die fatale Ronde in der Stadt gemacht und empfangen habt, und es nun ruhig ist auf eurer Schwelle! Ich möchte auch wieder nicht, dass ihr durch eine Sonderbarkeit den Leuten auffielet oder sie durch Kälte wider euch reitztet. Ihr werdet das schon nach eurer Klugheit einzurichten wissen, und es gibt gewisse Menschen, darunter gehört auch ihr, denen man nichts bös auslegt.

Wie widrig war mir gestern beym Heimreiten die Empfindung, dass wir uns immer weiter von einander entfernten! Ich eilte sehr nach Hause und wußte euch noch lange auf der Straße, als ich schon daheim war. Wieder eine Freude die vorüber ist! Und schon hält sich meine Hofnung an einer neuen. Man sollte sich vor jeder Freude fürchten, je näher sie kommt, weil sie dann ihrem Ende immer mehr nähert. Ach meine liebsten! Wie wohl wird uns seyn, wenn Genuß und Hofnung sich zusammen um unser Leben schlingen, wenn wir über einem schönen Ziel in der Ferne nicht in der Gegenwart darben, wenn wir die Freuden des Weges zu der Freude des Zieles schlagen!

Euer Wohlseyn, so wie ich es gestern fand, macht mir unbeschreiblich viel Freude; eure Seele wird desto heiterer auch meine Liebe empfangen. In Weimar müßt ihr euch mehr Bewegung machen, aber nur nicht im Stern, denn dort ist es viel zu feucht im Winter. Oben in der Allee, die an der Baumschule hingeht, ist es gar lieblich. Ich habe oft darinn gewandelt. Eure Pelze schützen euch ja vor der Kälte.

Ich bin doch nicht ganz ohne Neugierde, wie eure erste Zusammenkunft mit der K** ablaufen wird. Bei ihr wird sie studirt seyn, wenn sie darauf vorbereitet worden ist; überrascht ihr sie aber, so sollte es mich wundern, wenn ihre Empfindungen so ganz ohne Aeußerung blieben. Sie hält viel auf Repräsentation und auf den sogenannten Anstand, der sie oft tyrannisirt. Ich vermuthe sie wird gegen Lottchen abgemessen seyn, und überlegt; desto natürlicher müßt ihr euch gegen sie betragen.

Ich habe es nie leiden können bey der K-, daß sie soviel mit dem Kopf hat thun wollen, was man nur mit dem Herzen thun kann. Sie ist durchaus keiner Herzlichkeit fähig. Sonst hat man doch in Verhältnissen, wie meins gegen sie war, Momente der Wärme, die sie auch wirklich hatte, aber ich zweifle, ob sie Wärme geben kann. Ihr laurender Verstand, ihre prüfende kalte Klugheit, die auch die zärtesten Gefühle ihre eigne sowohl als fremde, zerschneidet, fodert einen immer auf, auf seiner Hut zu seyn.

Ich bin in gar keiner Disposition, sie zu sehen – ich kann nicht gerecht gegen sie seyn. Der Gedanke, daß sie es nicht gegen euch ist, dass sie, ein so ganz von euch heterogenes Wesen, über eure und meine Liebe kalt und so befangen richtet – überhaupt ihr Bild neben dem eurigen gestellt, würde mir gar nicht gut thun. Sie hat mich immer misverstanden, und würde sich auch jezt in meine neue Lage zu ihr gar nicht zu finden wissen. – Ich beleidige sie, wenn ich nicht zu ihr gehe, aber ich will es durch meine Abwesenheit lieber, als durch meine Gegenwart.

Meine liebsten lebt wohl. Ich weiß nicht, wenn ich Briefe von euch bekomme und wenn dieser abgehen wird. So schnell als möglich. Den Brief, der euch in Rudolst. Verfehlte, müsst ihr doch etwas genau untersuchen, wenn ihr ihn erbrecht. Adieu meine theuersten. Ich küße euch hunderttausendmal. adieu.

S.

  1. December 1789.