HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, Ende September 1788

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, Ende September 1788

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[Rudolstadt, Ende September 1788.]

Sie haben mir gestern recht viel Freude gemacht und zurückgelassen. Haben Sie Dank dafür. Ich hoffe daß der Regen Sie nicht sehr getroffen haben soll beim Nachhausegehen.

Hier ist einstweilen der ersten Theil der Dramaturgie, und was mir sonst von Büchern, die Ihnen gehören, in die Hände gefallen ist. Haben Sie nun die Güte und schicken mir auch wieder etwas zum Lesen.

Wir könnten einander das bischen Leben und Dasein recht angenehm durchbringen helfen, das finde ich mit jedem Tage mehr – und das ist doch nicht immer zu haben, wenn man es will, das können uns wenig Menschen. Wie glücklich bin ich durch Ihren Umgang, und wie viel wird er mir mit jedem Tage. Es ist auch viel Mannichfaltigkeit in unserm Cirkel, die sich dann wieder in eine Übereinstimmung auflöst – fünf Köpfe und Herzen, die am Ende doch wieder in Eins sich zusammenneigen. Ich kann mich gar nicht mit der Idee versöhnen, daß ich Sie einmal wieder verlassen soll, und jeden Morgen und jeden Abend projectire ich mit mir selbst, wie ich dieser Nothwendigkeit entfliehen kann. Längst schon haßte ich meine isolirte Existenz, es ist eine nothwendige Bedingung meiner Glückseligkeit, mich als den Theil eines Ganzen zu fühlen. Alle Bitterkeiten, die von jeher in mein Leben gemischt worden sind, haben keine andere Quelle gehabt, als meine Einsamkeit in dieser geselligen Schöpfung; und die vielen fehlgeschlagenen Versuche, die ich angestellt habe, ihr zu entfliehen, haben sie mir nur drückender und unleidlicher gemacht. Ich wollte, daß ich Ihnen meine ganze Seele übertragen könnte! Es läßt sich gar wenig sagen, und schreiben noch weniger. Vielleicht geben Sie mir einmal Gelegenheit, mein Herz über diese Materie mehr aufzuschließen.

S.