HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 10. Februar 1790

Schiller an Lotte von Lengefeld, 10. Februar 1790

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für Lotte.

Mittwoch Abends 1.

Ich habe wieder ein Collegium zurückgelegt und kann von der großen Rechnung eines wegstreichen. Die Zeit unsrer Trennung messe ich jetzt nach Vorlesungen, und die achte, die ich lese fällt schon in unser leben. Wie rührt mich dieses Gefühl naher Seligkeit! Sonderbar und einzig ist die Stimmung der Seele, womit ich unsre Vereinigung erwarte. Eine schöne glücklich Ruhe zeigt sie mir – ein gleichförmig lachendes Daseyn. Ja meine gute Lotte, sie sollen durch unser schönes Leben beschämt werden, aber nein, sie werden keine Zuschauer dieses schönen lebens seyn. Um die nichtsbedeutenden zu widerlegen, ist es doch nicht der Mühe werth, ihnen den Kreis seiner Freuden zu zeigen. Wir wollen ihnen die Kränkung ersparen, uns glücklich zu sehen!

Daß allerley über unser Verhältniß würde gesprochen werden, war zu erwarten. Hätte man uns erst in unserm engern Kreise beobachtet, wo wir drey ohne Zeugen waren – wer hätte dieses zarte Verhältniß begriffen? Jeder beurtheilt fremde Handlungsarten nach der seinigen – eine freie schöne Seele gehört dazu, unsre verschiedene Stellung gegen einander zu fassen, die ganze Geschichte unserer keimenden und aufblühenden Verbindung untereinander müßte man übersehen haben, und feinen Sinn genug haben, diese Erscheinungen in uns auszulegen. Die Menschen suchen immer gleich Worte zu allem, und durch Worte hintergehen sie sich dann. Jede Empfindung ist nur einmal in der Welt vorhanden, in dem einzigen Menschen der sie hat; Worte aber muß man von tausenden gebrauchen, und darum passen sie auf Keinen. Ich fühle, daß ich glücklich bin und seyn werde durch dich, ich fühle es nicht weniger lebendig daß Du es durch mich seyn wirst. Ich fühle es, und diß gilt mir weit mehr, als wenn ich es mir in Vernunftschlüße und diese in Worte auflösen könnte.

Du wirst nie von andern Menschen erst erfragen wollen, ob Du glücklich seyst durch mich; mir gegenüber mußt Du dieses bey Dir selbst entscheiden. Du könntest es nie durch mich werden, wenn Du es nicht von mir allein erfahren könntest. Jedem mit dem ich nicht in fortdauernden Verhältnissen lebe, und vor dem meine Seele nicht in ihrer ganzen Freiheit sich entfaltet, werde ich ein rätselhaftes Wesen seyn; man wird immer falsch über mich urtheilen. Weil ich hoffe, mit Zuversichtlichkeit hoffe, daß Du zwischen Dich und mich nie einen dritten treten lassen wirst, daß ich auch dann, wenn ich der Inhalt davon bin, dein erstes Vertrauen haben werde, Deine erste Instanz seyn werde – weil ich dieses von Dir hoffe, darum, meine liebe, meine Gute, kann ich ohne Besorgniß und Furcht Deine Hand annehmen. Diese Hingebung dieses volle unmittelbare Vertrauen ist die nothwendige Bedingung unserer künftigen Glückseligkeit, aber Du wirst es bald fühlen, daß sie auch zugleich der höchste Genuß dieser Glückseligkeit ist. Die höchste Annäherung, welche möglich ist zwischen zwey Wesen – ist die schnelle ununterbrochene liebevolle Wahrheit gegen einander.

Lebe wohl für heute. Ich schriebe so gerne fort, aber sogleich wird mein Zimmer voll Menschen seyn. Ich habe heute den Clubb in meinem Hause. Schreibe mir bald wieder, meine liebe. Wir sehen uns dießmal so lange nicht, erst in 10 Tagen, leb wol. leb wol.

  1. Februar 1790