HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 13. Oktober 1788

Schiller an Lotte von Lengefeld, 13. Oktober 1788

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Montag Morgens [Rudolstadt, 13. Oct. 1788.]

Sie sind uns heute um eine Stunde näher; das freut mich, wenn ich Sie auch schon nicht sehe. Unter fremden Gesichtern (wo mir überhaupt nie wohl ist) würden wir uns doch nichts seyn können. Mir ist nur lieb, daß von den acht Tagen, die Sie in Kochberg zubringen sollen, schon 3½ um sind. Der Himmel wird auch von den übrigen helfen.

Was soll die Parenthese in Ihrem Brief? Hab’ ich gesagt, daß wir keine traulichen Abende mehr zusammen genießen? Ich habe gesagt, daß die Abende anfangen kurz zu werden; und das ist Ihre Schuld, nicht die unsrige.

Für Ihr Andenken und Ihren Brief danke ich Ihnen recht schön. Ich bin also doch in Ihrer Erinnerung? Möchte ich nie ganz darin verlöschen, oder daraus verdrungen werden. Bessere als ich finden Sie überall, aber ich fordere jeden heraus, ob ers besser als ich mit Ihnen meint.

Genießen Sie noch recht schöne Tage in Kochberg. Sie sind in sehr guten Händen. Ich habe die Stein sehr lieb gewonnen, seitdem ich ihrem Geist mehr zugesehen habe. Ich liebe den schönen Ernst in ihrem Karakter, sie hat Interesse für das, was sie für wahr hält und was edel ist. Viele Menschen sterben, ohne je was davon zu ahnen. Auch an Ihnen liebe ich diese Mischung von Lebhaftigkeit und Ernst, und habe beidem schon sehr schöne Stunden zu verdanken.

Adieu, liebste Freundin. Bringen Sie mir eine freundliche Miene zurück, wenn Sie wieder kommen. Adieu.

S.