HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 20. August 1788

Schiller an Lotte von Lengefeld, 20. August 1788

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

[Donnerstag, 20. August Mittwoch 1788.]

So haben Sie mir also den Ball wohlbehalten zurückgelegt! Es ist mir ordentlich lieb, daß er vorbei ist. So sehr ich das Vergnügen meiner Freunde liebe, so wünsche ich Sie doch so selten als möglich auf Bällen. Ich weiß nicht warum – aber ich habe aus eigner Erfahrung, daß ein Vergnügen, das das Blut so unordentlich erhitzt, und das die bessern Menschen den armseligen so nahe bringt und mit ihnen vermischt, die feinen Gefühle und die edlern Genüsse des Geistes gern auf eine Zeitlang hinwegschwemmt. Ihr Fall ist dieses nun wohl nicht, – aber die Erfahrung ist mir so geläufig, daß ich mich einer geheimen Furcht nicht erwehren kann, wenn ich das, was mir lieb ist, durch eine Reihe fliegen sehe, die mir nicht lieb ist. Doch vor dem Sehen werde ich mich wohl hüten.

Ich habe gestern geschrieben und dann das Leben des Pompejus im Plutarch gelesen, das mir große Gefühle gegeben hat, und den Entschluß in mir erneuerte, meine Seele künftig mehr mit den großen Zügen des Alterthums zu nähren. Heute früh war es einer meiner ersten Gedanken, daß – Sie nicht mehr auf dem Ball wären. Wenn ich es könnte – sehen Sie, ich würde so ungerecht seyn, und Sie allen andern Menschen mißgönnen. Ich weiß wohl, daß ich kein Recht dazu habe, aber es ist etwas so gar Schönes – sich das, was einem lieb ist, als sein Eigenthum zu denken, und was ich denke, thut Ihnen ja auch nichts. Lassen Sie mir also immer diese Freude.

Warum erinnern Sie mich daran, daß Sie gehen? Ich mag nicht daran erinnert seyn. Eben so wenig an mein eignes Weggehen. Es tröstet mich, daß ich den Tag nicht weiß, daß ich von keinem Termin abhänge, daß es bei mir steht, wie lange dieser Sommer dauern soll. Meiner werden Sie bälder entwöhnt seyn, als ich Ursache habe, es zu wünschen, und wenn es weise ist, bei Zeiten darauf zu denken, so bin ich es, nicht Sie, dem diese Weisheit zu empfehlen ist. Adieu. Ich kann Ihnen nichts, als viele Grüße an die Kalb und an Wolzogen auftragen, schreiben werde ich ein andermal. Leben Sie recht wohl. Wenn Sie mirs indessen nicht absagen lassen, so sehe ich Sie nach 2 Uhr. Leben Sie recht wohl.