HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 5. April 1788

Schiller an Lotte von Lengefeld, 5. April 1788

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[Weimar d. 5. April [Sonnabend] 1788.]

Sie werden gehen, liebstes Fräulein, und ich fühle, daß Sie mir den besten Theil meiner jezigen Freuden mit sich hinwegnehmen. Daß Sie nicht bleiben konnten, wußte ich; ich habe mir dieses schon so oft gesagt, daß es mich nicht mehr überraschen sollte, und doch thut es das. So wenige Augenblicke Ihres Hierseyns auch die meinigen waren und die meinigen seyn konnten, so war mir Ihr Hierseyn doch schon an sich allein ein Vergnügen, und die Möglichkeit, Sie alle Tage zu sehen, ein Gewinn für mich. Ihre Abreise bringt mich um alles dieses. Aber Sie gehen auch ungern – und beinahe hätte mich das gefreut. Sie glauben doch nicht im Ernste, daß ich dem Worte Freundschaft gram sey? Nach dem, was ich Ihnen freilich hie und da vom Mißbrauch dieses Namens mag gesagt haben, klingt es vielleicht stolz, wenn ich bei Ihnen darauf Anspruch mache aber der Name soll mich nicht stören. Lassen Sie das kleine Samenkorn nur aufgehen; wenn die Frühlingssonne darauf scheint, so wollen wir schon sehen, welche Blume daraus werden wird. Meinem hiesigen Umgang mit Ihnen hat Ihre Güte seinen besten Werth gegeben; ich fühle selbst recht gut, wie zusammengebunden und zerknickt ich oft gewesen bin. Viel mehr bin ich nun wohl nicht, aber doch um etwas Weniges besser, als ich während der kurzen Zeit unsrer Bekanntschaft und bei den Außendingen, die uns umgaben, in Ihren Augen habe erscheinen können. Eine schönere Sonne, hoffe ich, wird etwas Besseres aus mir machen, und der Wunsch, Ihnen etwas seyn zu können, wird dabei einen sehr großen Antheil haben. Auch in Ihrer Seele werde ich einmal lesen, und ich freue mich im Voraus, bestes Fräulein, auf die schönen Entdeckungen, die ich darin machen werde. Vielleicht finde ich, daß wir in manchen Stücken mit einander sympathisiren, und das soll mir eine unendlich werthe Entdeckung seyn.

Sie wollen also, daß ich an Sie denken soll; dieses würde geschehen seyn, auch wenn Sie mir es verboten hätten. Meine Phantasie soll so unermüdet sein, mir Ihr Bild vorzuführen, als wenn Sie in den acht Jahren, daß ich sie den Musen verdingt habe, sich nur für dieses Bild geübt hätte. Ich werde Sie an jedem schönen Tage unter freiem Himmel wandeln sehen, und an jedem trüben auf Ihrem Zimmer – vielleicht denken Sie dann auch meiner; damit ich aber dessen versichert bin, so müssen Sie mir erlauben, bestes Fräulein, daß ich Ihnen zuweilen sage, wenn ich mit Ihnen beschäftigt bin. Keine Correspondenz, Gott bewahre! das sieht so pflichtmäßig aus, und selbst die Antworten will ich Ihnen erlassen, wenn Sie glauben sollten, daß Sie mir sie schuldig sind. Einmal aber müssen Sie mir doch Nachricht geben, ob ich das bewußte Logis erhalten kann. Heute Mittag hätte ich Sie also bei Schardts sehen können, wenn mein guter Engel mich zu rechter Zeit erinnert hätte. Aber ich war wirklich nicht ganz wohl, um in eine ganz fremde Gesellschaft zu gehen. Sehen will ich Sie vor Ihrer Abreise nicht mehr. – Abschiede, auch auf kurze Zeit, sind etwas so Trauriges für mich. Vielleicht sehe ich Sie im Vorbeifahren noch; ich vermute auch, daß Sie jezt immer umringt und beschäftigt seyn werden.

Frau von Kalb wird um so mehr beklagen, Sie nicht mehr hier zu finden, wenn Sie hört, wie nahe sie dabei war.

Leben Sie also recht wohl, bestes Fräulein, erinnern Sie sich manchmal und gern daran, daß hier jemand ist, der es unter die schönsten Zufälle seines Lebens zählt, Sie gekannt zu haben. Noch einmal, leben Sie recht glücklich.

Vom Jones folgen hier noch drei Bände; die übrigen sind von der Bodischen Übersetzung noch nicht heraus. Verlangen Sie sie aber, so kann ich sie Ihnen in einer andern nach Rudolfstadt nachschicken. Ihrem Hause empfehlen Sie mich recht schön, und suchen Sie zu machen, daß ich da ein wenig willkommen bin. Adieu. Leben Sie recht wohl.

Schiller.