HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, 5. November 1789

Schiller an Lotte von Lengefeld, 5. November 1789

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[Jena den 5. November Donnerstag 1789.]

Den Abschied von dem lieben Mann wirst du nun überstanden haben, liebste Lotte, und die Augen getrocknet. Wenn dein Herz nur nicht auch in dem großen Coffre mit begriffen ist, so ist alles gut. Aber du kannst denken, wie mir zu muthe seyn mag, hier in Jena sitzen und Studenten die Ohren voll schreyen zu müssen und indessen den furchtbaren Herzenfeßler bey dir zu wissen.

Der Lorbeerkanz, der sich seit einigen Tagen in einen Hut und ein frisch gewaschenes Hemd verwandelt hat, scheint auf einen Brief von dir sich Rechnung zu machen. Ich sagte zufällig, dass du eben jezt in Kochberg seyst. Dieses erklärte ihm, warum Du noch nicht geschrieben habest. Er hat mich heute mit Thee tractirt, weil ich zweymal hinter einander las, und war gar artig. Du mußt ihm doch schreiben, denn wir müssen ihn doch in mein Haus einmal mitbringen, da ist keine Rettung.

Ich schicke euch hier die französische Uebersetzung des Geistersehers und den ersten Band vom deutschen. Bitte Carolinen, dass sie mir, weil sie so hübsche französische Briefe schreibt, die Antwort an den Herrn von Bock doch machen möchte. Sie soll ihm recht viel schönes von der Uebersetzung sagen, und wie viel Dank ich ihm schuldig sey, kurz ganz erschrecklich galant. Auch von dem andern Aufsätzen, weil vielleicht einer von seiner Erfindung dabey ist! Doch soll sie alles so einrichten, daß jeder verständige Mensch, ausser dem an den der Brief geschrieben ist, deutlich merkt, daß kein Wort davon wahr ist. In allem Ernst sag ihr, dass ich mir diesen französischen Brief von ihr ausbitte. Sie soll ihn aber auf fein Postpapier schreiben, denn ich schreibe ihn nicht mehr ab. Von dem Tribunal secret mag sie sagen, dass ich nicht ermangeln würde, dem Verfasser diese angenehme Neuigkeit mit zu theilen und die Idee des Herrn von Bock ihm zu weiterer Beherzigung zu empfehlen. Vergib mir Liebe, dass ich dir heute nichts beßres schreibe. Mein Kopf ist etwas eingenommen und ich gehe jezt gleich zu Bette, weil ich etwas Schlaf hereinbringen muß. Dein liebes Bild schwebt mir vor Augen und ich umschließe es mit Sehnsucht und liebe. Es wird mich vielleicht in einen schönen Traum von dir hinüber begleiten. Mein liebe theure Lotte leb wohl. Morgen ist wieder der liebe Tag der mir eure Briefe bringt und in 3 Wochen kommt ein schönerer der euch selbst bringt – und wenn wird der kommen, der uns vereinigt? adieu lieber Engel. Schlaf wohl.

Sch.

Den deutschen Geisterseher will ich noch geschwind vorher binden lassen.