HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, Ende August 1788

Schiller an Lotte von Lengefeld, Ende August 1788

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[Rudolstadt Ende August 1788.]

Wie haben Sie denn heute Nacht in Ihrem zierlichen Bette geschlafen? Und hat der süße Schlaf ihre lieben holden Augenlider besucht? Sagen Sie mirs in ein paar geflügelten Worten – aber ich bitte Sie dass Sie mir Wahrheit verkündigen. Lügen werden Sie nicht sagen, denn Sie sind viel zu verständig.

Es ist heute wieder ein gar schöner Tag und er würde noch einmal so schön seyn, wenn Sie recht heiter aufgestanden wären, und sich mit uns desselben freuen wollten. Sind Sie aber noch nicht ganz gut und nicht frey genug um den Kopf um sich mit sich selbst zu beschäftigen oder zerstreut Sie vielleicht Gesellschaft, so lassen Sie michs wissen, und wir leben dann den Tag so miteinander hin – schwatzen, lesen und freuen uns, daß wir zusammen in der Welt sind. Was macht ihre Schwester? Klappert der Pantoffel schon um ihre zierlichen Füsse, oder ligt sie noch im weichen schöngeglätteten Bette? Adieu. Sind Sie noch nicht aufgestanden, so lassen Sie mich nur mündlich wissen, wie Sie die Nacht zugebracht haben. Lassen Sie auch den Garten aufschliessen, ich habe eine Versuchung ein bischen drinn herum zu wandeln. Leben Sie recht wohl!

S.