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Schiller an Christoph Wieland, 3. Oktober 1791

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Jena, 3 October [Montag] 91.

Mit Ungeduld habe ich erwartet, mein verehrter und theurer Freund, so weit hergestellt zu seyn, um Ihnen ein Zeichen des Lebens zu geben, und für Ihre liebevolle Theilnahme den herzlichsten Dank zu sagen. In mancher traurigen Periode, die ich dieses Jahr durchlaufen habe, war mir die Erinnerung an Ihre Liebe Erquickung, und gleich einem tröstenden Genius waren Sie mir zur Seite. Möge Ihnen für diese schöne und edle Menschlichkeit alle Glückseligkeit werden, die der Himmel nur immer über einen Sterblichen ausgießen kann, und alle guten Geister Ihr unschätzbares Leben, Ihre der Welt und Ihren Freunden so wohlthätige Gesundheit bewahren!

Seit dem Gebrauch des Karlsbades und des Egerbrunnens habe ich mich um vieles gebessert, mein Herz öffnet sich wieder den Empfindungen des Lebens und der Freude und die Kräfte des Geistes fangen an sich zu erholen. Demungeachtet wollen mich die Krämpfe des Unterleibes nicht verlassen, das Athemholen bleibt mir immer schwer und manches hat sich eingefunden, was auf ein langwieriges Uebel zu deuten scheint. Ich waffne mich mit Geduld und Ergebung und werde mich in jedes Schicksal finden.

Sie wissen ohne Zweifel, daß die weimarische Schauspielergesellschaft in Erfurt Don Carlos aufgeführt hat, und daß dieses Stück auch in Weimar soll gegeben werden. Ich habe aber bei Gelegenheit der Vorstellung dieses Stückes verschiedene Bemerkungen gemacht, welche mich wünschen lassen, es noch einmal der Feile zu unterwerfen, ehe ich es wieder aufs Theater bringe. Stück und Publicum werden bei diesem Aufschub gewinnen. Darf ich Sie ersuchen, mein theuerster Freund, Herrn Geh. Rath Goethe in meinem Namen dies zu sagen und ihn zu bitten, daß er mir 4 bis 6 Wochen Zeit lassen möchte.

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und den Ihrigen aufs beste, und wir beide hoffen, Sie entweder in Weimar oder hier recht bald zu sehen.

Ewig der Ihrige.

Fr. Schiller.