HomeBriefeAn Christophine SchillerSchiller an C. Reinwald, 9. Mai 1796

Schiller an C. Reinwald, 9. Mai 1796

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Jena den 9. May [Montag] 96.

Liebste Schwester,

Cotta wird Dir nun, wie ich hoffe, meinen Brief überschickt haben. Zwey andere an die liebe Mutter sind einige Posttage vorher abgegangen, die hoffentlich alle richtig angekommen sind. Es gereicht mir zu großem Trost in diesen traurigen Umständen Dich liebe Schwester den unsrigen zur Stütze dort zu wißen, und ich hoffe in kurzer Zeit von Dir zu hören, daß das Schlimmste überstanden ist.

Der letzte Brief meiner lieben Mutter hat mich herzlich betrübt. Ach wieviel hat die gute Mutter nicht ausgestanden und mit welcher Geduld und Stärke hat sie es ertragen! Wie rührte michs, daß sie ihr Herz mir öfnete, und wie wehe that mirs, sie nicht unmittelbar trösten und beruhigen zu können. Wärst Du nicht hin gereist, ich hätte nicht hier bleiben können. Die Lage der lieben Unsrigen war doch erschrecklich – so allein, ohne d Beystand liebender Freunde, und bey zwey Kindern, die in der Ferne von ihnen leben, verlaßen! Ich darf nicht daran denken. Was hat unsre gute Mutter nicht an unseren Großeltern gethan und wie sehr hat sie ein gleiches von uns verdient! Du wirst sie trösten liebe Schwester, und mich wirst Du herzlich bereit finden zu allem, wozu Du mich auffordern wirst. Unterlaße ja nicht mir so fleißig als möglich Nachricht zu geben, wie es um alle steht, und denke auch nicht so bald darauf, sie zu verlaßen. Reinwald wollen wir schon beruhigen.

Meine Lotte grüßt Dich herzlich und nimmt den innigsten Antheil an euren Leiden. Der Brief meiner lieben Mutter hat sie schmerzlich gerührt. Sie ist seit einiger Zeit selbst nicht wohl, und erst heute haben wir Gewißheit daß sie sich in andern Umständen befindet. Sie ist schon am Ende des siebenten Monats der Schwangerschaft. Karl ist gesund und fröhlich. Täglich macht das liebe Kind uns mehr Freude – Was gäbe ich darum, wenn ich ihn unsrer lieben Mutter nur auf einen Tag bringen könnte. Gewiß würde das ihren Kummer in etwas lindern.

Grüße die lieben Eltern aufs herzlichste, und sag ihnen, daß ihr Sohn ihre Leiden fühlt. Der guten Louise schenke Gott bald ihre Gesundheit wieder, bring ihr meinen brüderlichen Gruß. Ich umarme Dich herzlich liebste Schwester

Dein treuer Bruder

FSch.