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Schiller an Friedrich von Hoven, 27. Oktober 1801

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Weimar 27. 8br. [Dienstag] 1801.

Es hat mich von Herzen gefreut, nach meiner Zurückkunft von der Dresdner Reise einen Brief von Dir zu finden, der mich der Fortdauer Deiner Liebe versichert. Glaube mir, so schlecht es auch mit meinem Briefschreiben bisher beschaffen war, so bin ich immer der Alte geblieben, wie du mich kennst, und werde es bleiben bis ans Ende. Eben diese brüderliche Neigung ist es, die mir den Wunsch eingegeben hat, Dich und Deine Familie in unsre Nähe versezt zu sehen, und viel gäb ich darum, wenn dieser Wunsch zu realisieren wäre. Aber hier muß die persönliche Bekanntschaft alles thun, und wenn Du es für Dein eigenes und für unser Vergnügen möglich machen könntest, auf 4 Wochen oder 6 abzukommen und hieher zu reisen, so könnte dieß den Grund zu einer solchen Aussicht legen. Mit der Universität zu Jena ist es nichts für jezt, denn Hufelands Stelle ist während meiner Abwesenheit durch einen D. Himmli aus Helmstadt besezt und die Medizinische Fakultät noch durch andre Privatdocenten vermehrt worden. Auch würdest Du Dich vielleicht in die ganzungewohnt academische Thätigkeit nicht so gleich finden, den schwäbischen Dialect, der bei dem öffentlichen Vortrag auf einer sächsischen Universität im Wege steht, nicht einmal gerechnet. Als practischer Arzt hingegen wäre in Weimar gewiß etwas für Dich zu thun, wenn es nur anginge, daß Du erst festen Fuß bekämest. Die öffentliche Stimme ist für keinen einzigen der hiesigen Aerzte und wer es kann läßt den D. Stark von Jena rufen. Aber freilich würde es schwer seyn, dir gleich eine hinlängliche Entschädigung für das was Du zu Ludwigsburg im Stiche ließest, anzubiethen. Die Besoldungen sind für die theure Lebensart die hier herrscht sehr klein, und das meiste müßte durch die Praxis erworben werden. Hiebei wäre aber allerdings viel zu gewinnen, weil zwey Hofhaltungen hier sind, eine dritte mit nächstem dazu kommt, und viel Adel hier lebt. In Rücksicht der Societät und der Vergnügungen würdet ihr euch freilich sehr verbessern, und unsre Vereinigung an dem nehmlichen Ort würde keine Kleinigkeit seyn.

Noch einmal also: laß es auf eine Probe ankommen, reise aufs nächste Frühjahr hieher und lerne das Locale mit Deinen eigenen Augen kennen. In Ludwigsburg wird sich doch wohl einer finden, der Deine Patienten übernimmt; ist doch unser Hofrath Stark, der in Jena und Weimar zugleich angestellt ist, oft auf 3 Wochen in andern Gegenden abwesend, und wenn Du 4 Wochen krank lägest, müßten sichs Deine Patienten ja auch gefallen lassen. Aber vor Ende Mays müßtet ihr kommen, weil im Junius vieles aufs Land reist.

Welche Freude für uns, Euch wieder zu sehen und zwar bei uns! und auch für Euch eine angenehme Zerstreuung, da Ihr noch so wenig vom Ausland gesehen habt! Wie würden unsre Kinder sich mit den eurigen ergehen! Vielleicht brächtet ihr auch Freund Conz mit, der sich hier der vergangenen Zieten mit Vergnügen erinnern würde. Grüße ihn recht schön von mir.

Herzlich umarme ich Dich und Deine liebe Frau. Meine freundschaftlichen Grüße an Deine ganze Familie. Ewig der Deinige

Schiller.