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Schiller an Georg Göschen, 14. Oktober 1792

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Jena den 14. October [Sonntag] 92.

Sie haben ganz Recht, lieber Freund, daß Sie Sich, was den Calender betrifft, nach einem sicherern Mann umsehen, als ich dermalen bin. Fürs nächste und zweytnächste Jahr könnte ich Ihnen auf keinen Fall, etwas versprechen, da, selbst wenn ich mich ganz erhohlte, die angefangenen Opera beendigt werden müssen.

Aber ob Sie mit Pestalozzi nichts wagen – und ob es überhaupt rathsam ist, die Reformation zum Gegenstand zu nehmen (die nur bey einer äuserst glücklichen genialischen Behandlung Interesse erwecken kann) ist eine Frage, die ich Ihnen aufwerfe und in scharfe Ueberlegung zu nehmen, rathe. Erstlich möchte ich schon einen Zweifel darüber aufwerfen, ob es gut ist, in der Calenderform fortzufahren, da diese Schriften ihre Neuheit verloren da Sie darinn viele Nebenbuhler haben, und die Caprice der Mode gar zu wandelbar ist.

Zwytens glaube ich, wäre es beßer, wenn Sie jetzt (im Fall sie auf einem Calender bestehen) eine leichtere allgemeiner anziehende Materie erwählen – denn noch einmal, an der Reformation wird und muß unser Pestalozzi scheitern. Diese Geschichte muß mit philosophischem, völlig freyen Geiste geschrieben seyn, von der Schreibart nicht einmal zu reden, die hier leichter als bey einer jeden andern Materie ins Trockene fallen muß.

Ich habe mich auf einen andern Mann dafür besonnen, aber ich gestehe, dass ich keinen finde; doch so gut und beßer als Pestalozzi diesen Stoff behandeln kann, würden zehen andre ihn behandeln. Sehr gerne will ich mich als Herausgeber und Vorredner dabey melden, wenn Ihnen dadurch ein Gefallen geschieht, aber Sie begreifen selbst, daß ich dieß nur alsdann thun kann, wenn der Verfasser des Calenders die Reformation nicht aus einem ganz entgegengesetzten Gesichtspunkt, als ich, betrachtet, und dieß, fürchte ich, wird bey Pestalozzi sehr der Fall seyn. Ich muß gestehen, dass es mir sehr leid thun würde, wenn diese herrliche Gelegenheit, auf die VorstellungsArt der ganzen Deutschen Nation von ihrem Religionsbegriff zu wirken, und durch dieß einzige Buch vielleicht eine wichtige Revolution in Glaubenssachen vorzubereiten, nicht benutzt werden sollte. Jetzt über die Reformation zu schrieben, und zwar in einem so allgemeingelesenen Buch, halte ich für einen großen politisch wichtigen Auftrag und ein fähiger Schriftsteller könnte hier ordentlich eine welthistorische Rolle spielen.

Ich meyne immer, daß Sie bey meiner alten Idee, ein großes vierzehntägiges Journal an dem dreißig oder vierzig der bessten Schriftsteller Deutschlands arbeiteten, herauszugeben am bessten fahren und ein Werk für Ihr Lebenlang daran haben würden. Sie würden und müßten dadurch der Erste und Respectirteste Buchhändler in Deutschland werden, und schon in den ersten Jahren nicht unter 1000 Rthlr reine Revenuen davon haben, die bey fortdauernder Accuratesse drey und vierfach werden müßten –

Sind Sie dieser Idee nicht abhold, so will ich Ihnen einen Plan dazu überschicken, und (von Seiten des Inhalts und der Schriftsteller) die Möglichkeit der Ausführung zeigen.

Den Ueberbringer dieses Briefs bitte ich freundlich aufzunehmen. Er freut sich sehr auf Ihre nähere Bekanntschaft. Wollen Sie so gütig seyn und ihm die hier aufgezeichneten Schriften, nebst denjenigen um die ich neulich schrieb, (wenn Sie sie Goepferdten noch nicht schon mitgegeben) einhändigen, sowie auch die Zeichnung des Erbprinzen von Rud. aus dem Geisterseher und ein Exemplar von dem 30jährigen Krieg. Gebunden oder ungebunden ist mir einerley, nur so dass ich es hier binden lassen kann.

Zur Messe viel Glück, Gesundheit und Geduld!

Ewig der Ihrige

Schiller.