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Schiller an Gottlieb Fichte, 26. Januar 1799

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Jena, den 26. Januar [Sonnabend] 1799.

Meinen besten Dank für Ihre Schrift, verehrtester Freund! Es ist gar keine Frage, daß Sie sich darin von der Beschuldigung des Atheismus vor jedem verständigen Menschen völlig gereinigt haben und auch dem unverständigen Unphilosophen wird vermuthlich der Mund dadurch gestopft seyn. Nur wäre zu wünschen gewesen, daß der Eingang ruhiger abgefaßt wäre, ja daß Sie dem ganzen Vorgange die Wichtigkeit und Consequenz für Ihre persönliche Sicherheit nicht eingeräumt hätten. Denn so wie die hiesige Regierung denkt, war nicht das Geringste dieser Art zu befahren. Ich habe in diesen Tagen Gelegenheit gehabt, mit Jedem, der in dieser Sache eine Stimme hat, darüber zu sprechen, und auch mit dem Herzoge selbst habe ich es mehrere Male gethan. Dieser erklärte ganz rund, daß man Ihrer Freiheit im Schreiben keinen Eintrag thun würde und könne, wenn man auch gewisse Dinge nicht auf dem Katheder gesagt wünsche. Doch ist dies letzte nur seine Privatmeinung, und seine Räthe würden auch nicht einmal diese Einschränkung machen. Bei solchen Gesinnungen mußte es nicht den besten Eindruck auf diese Letztern machen, daß Sie so viel Verfolgung befahren.

Auch macht man Ihnen zum Vorwurf, daß Sie den Schritt ganz für sich gethan haben, nachdem die Sache doch einmal in Weimar anhängig gemacht worden. Nur mit der Weimarischen Regierung hatten Sie es zu thun, und der Appell an das Publicum konnte nicht Statt finden, als höchstens in Betreff des Verkaufs Ihres Journals, nicht aber in Rücksicht auf die Beschwerde, welche Chursachsen gegen Sie zu Weimar erhoben, und davon Sie die Folgen ruhig abwarten konnten.

Was meine besondere Meinung betrifft, so hätte ich allerdings gewünscht, daß Sie Ihr Glaubensbekenntniß über die Religion in einer besondern Schrift ruhig und selbst ohne die geringste Empfindlichkeit gegen das Sächsische Consistorium abgelegt hätten. Dagegen hätte ich, wenn ja Etwas gegen die Confiscation Ihres Journals gesagt werden mußte, freimüthig und mit Gründen bewiesen, daß das Verbot Ihrer Schrift, selbst wenn sie wirklich atheistisch wäre, noch immer unstatthaft bleibe; denn eine aufgeklärte und gerechte Regierung kann keine theoretische Meinung, welche in einem gelehrten Werke für Gelehrte dargelegt wird, verbieten. Hierin würden Ihnen Alle, auch die Philosophen von der Gegenparthei, beigetreten seyn, und der ganze Streit wäre in ein allgemeines Feld, für welches jeder denkende Mensch sich wehren muß, gespielt worden.

Mündlich das Weitere! Leben Sie wohl, mein verehrter Freund! Ganz der Ihrige.

Schiller.