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Schiller an Henriette v. Wolzogen, 1. November 1783

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Mannheim, den 1. Nov. [Sonnabend] 1783.

Ich sehe in den Kalender und finde mit Schreken dass wir schon im November sind, und Sie, meine theuerste, den ganzen Oktober noch keinen Brief von mir haben. Eigentlich hätte ich Ihnen nichts erhebliches zu schrieben gewußt, als das sich schon 3-4 Wochen ein Rezidiv von dem traurigen kalten Fieber auszustehen hatte, und noch ausstehen mus. Geschäfte und neue Bekanntschaften die außerhalb Mannheim meiner warteten, und überhaubt die böse Rhein- und Sumpfluft der Gegend haben mich zu keiner ganzen Beßerung kommen laßen, und wahrscheinlich werde ich schwerlich vor dem eigentlichen Winter vollkommen gesund. Doch kann ich in den freien Stunden meine nötigsten Geschäfte verrichten. – Neues ist für mich nichts vorgefallen, das mein Glük beträfe. Es bleibt alles bei den Nachrichten meines lezten Briefs, und ich bin übrigens zufrieden. Von Ihren lieben Kindern habe ich bis jetzt lauter Gutes erfahren. Von meinen Eltern erwarte ich täglich Briefe. – Auch von der Vischerin, der ich durch einen Landsmann von Ludwigsburg der mich hier besuchte ein Marktpraesent nebst einer Silhouette geschikt habe. Hier folgt auch eine für Sie, meine Beste, wenn mein Andenken anders noch soviel Werth in Ihrem Herzen hat, daß es neben den lieben Söhnen einen Plaz in Ihrem Zimmer findet. (Doch ist ja auch der Herzog George drinn.)

Ich glaube immer Sie sind wirklich nicht in Bauerbach. Beinahe wollt ich wetten, Sie sind in Roßdorf oder Walldorf – oder gar in Wolkramshausen. Wo Sie auch sind, begleiten Sie meine zärtlichsten Wünsche, und Sie sollen überall glüklich seyn. Der guten lieben Lotte empfehlen Sie mich auf das wärmste und innigste. Schreiben Sie der Tante, so unterlassen Sie nie, das gute Mädchen meiner ganzen Achtung zu versichern. Rheinwald grüßen Sie hunderttausendmal und schärfen ihm ein, mir die bewußten Manuscripte fein gewis zurükzuschiken. Allenfalls, wenn Sie mir ja von meinen alten Lumpen noch etwas zu schiken haben, gienge das mit einer Gelegenheit. Verzeihen Sie mir dißmal meine Eilfertigkeit. Viel habe ich Ihnen nicht zu schreiben, und dann glauben Sie kaum, wie entsezlich ich von Dalberg wegen Herannäherung des Carnevals belagert werde. Trösten Sie Sich wenn Sie können damit, dass Sie und meine Eltern diejenigen sind denen vor andern Menschenkindern zehenmal geschrieben wird. Ich bin aus meinem bisherigen Logis gezogen. Mein Addresse ist also an Schwan. Ewig Ihr wärmster und innigster Freund und Sohn.

Frid. Schiller.