HomeBriefeAn Henriette v. WolzogenSchiller an Henriette v. Wolzogen, 11. 7. August 1783

Schiller an Henriette v. Wolzogen, 11. 7. August 1783

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Mannheim d. 11. August [Montag] 1783.

Aus einem Tumult von Zerstreuungen fliege ich an Ihr Herz, beste Freundin, denke mich zu Ihnen in Ihr neues Stübgen hinein, wo auch ich vielleicht jezt Ihr Gedanke bin, und erzäle Ihnen mein jeziges Schiksal. Vor allem andern tausendfachen Dank für Ihren lieben zärtlichen Brief. Also weis ich gewis, dass Ihr Herz noch für mich das Vorige ist – Womit beweise ich Ihnen doch, dass es auch das meinige bleiben wird?

Ich wolte Ihre Antwort auf mein leztes Schreiben erst abwarten, darin ich Ihnen meine Addresse wißen lies, eh ich diesen Brief an Sie fortschikte. Doch ich wartete vergebens, und er wandere in Gottesnamen fort.

Die 14 Tage, die ich jetzt in Mannheim zugebracht, sind beinahe ganz fruchtlos für mich gewesen. Dalberg war abwesend, einige Spieler in Urlaub, die mehresten Familien aufs Land ausgeflogen, und eine unerträgliche trokene Hize verdarb mir beinahe allen Genuss des Lebens. Das Theater hat mir wenig genuzt, weil des Sommers wenig Stüke gegeben werden die wichtig sind, auch ohne Schaden nicht gegeben werden können; zudem war die Anwesenheit der Curfürstin und des Zweibrüker Herzogs Schuld, dass meistens Alltagskomödien vorkamen, wovon Diese Liebhaber sind. Viel hab ich auch nicht gearbeitet, weil Zerstreuungen und Hize es mir unmöglich machten. Also die Summe vom Ganzen ist: Ich habe diese Zeit über wenig gewonnen.

Dalbergs Ankunft aber scheint sehr viel für mich verändern zu wollen. Gestern traf er hier ein, und wurde gleich von meinem Hierseyn benachrichtigt, das ihm höchst angenehm war. Ich traf ihn auf dem Theater, wo er mir auf die verbindlichste Art zuvorkam, und mich mit großer Achtung behandelte. Von meiner Abreise will er nichts wißen, und läßt sich sonst noch allerlei gegen mich merken, wofür ich gottlob keine Ohren mehr habe. Ich war heute bei ihm, und zwar sehr lange. Der Mann ist ganz Feuer, aber leider nur Pulverfeuer das plözlich losgeht und eben so schnell wieder verpuft. Indeß glaub ich ihm herzlich gern, dass ihm mein hiesiger Aufenthalt lieb wäre, wenn er nichts aufopfern dürfte. Mein Fiesco soll hier gegeben werden, und man ist wirklich daran, mit Anmerkungen über das Stük bei mir einzukommen. Vielleicht arbeite ich ihn um, und seze die Vorstellung durch. Morgen (Mittwoch am 13) wird meine Louise Millerin in groser Gesellschaft, wobei Dalberg den Vorsiz hat, vorgelesen, und dann wird sichs entscheiden, ob sie hier vorgestelt wird. Dalberg versprach, mir zu Gefallen meine Räuber und einige grose Stüke spielen zu laßen, um die Stärke der Schauspieler daraus zu beurtheilen, und mich in Feuer zu sezen. Meine Räuber sollten mich freuen.

An Schwan habe ich mich am meisten attaschiert, und Sie meine Theuerste, schäzen ihn ja auch. Ihm allein habe ich meine Millerin vorgelesen, und er ist äuserst damit zufrieden. Von Wieland hat er mir Briefe gezeigt, die beweisen, daß Wieland sehr warm für mich fühlt, und gros von mir urtheilt. Dieses leztere ist mir wegen vieler Umstände nicht gleichgültig. Bei Schwan habe ich auch sonst gute Bekanntschaften gemacht. Noch dato war ich nirgends als in Oggersheim, wo die Curfürstin wirklich residiert, und man mir das Schloß und den Garten gezeigt hat. In dem Wirthshauß wo ich im vorigen Jahr 7 Wochen gewohnt habe, bin ich auf eine Art empfangen worden, die mich recht sehr gerührt hat. Es ist etwas freundiges von fremden Leuten nicht vergessen zu werden. Die nächste Woche will ich in Gesellschaft nach Heidelberg und Schwezingen fahren. Mein Vater schriebt mir heute, daß er sich Hoffnung mache, einen Rendezvous in Bretten zu veranstalten. Von Wilhelm erwarte ich alle Tage Briefe, vorzüglich aber von Ihnen meine Beste.

In Absicht auf meine Aussichten mit dem hiesigen Theater und meinen Stüken kann Ihnen dieser Brief nicht das geringste bestimmen, aber in 8 Tagen erfahren Sie etwas mehr und vielleicht auch die Zeit meiner Abreise von hier, denn nichts in der Welt wird mich feßeln. Schwan räth mir an, wenn meine Stüke zum Theater gebracht werden sollten, mit Dalberg um den Preiß der 1sten Vorstellung bei jedem zu accordieren, weil ich dann aus beiden zusammengenommen 400-500 fl. würde zu ziehen haben, und dann in einem halben Jahre das Stük zum Druken verkaufen könnte. Auch räth er mir, beide abschreiben zu laßen, und nach Berlin, Wien und Hamburg Exemplare davon zu versenden, wo mir vielleicht die Theater einen Preiß zuerkennen würden. Sie wißen, meine Beste, wie mistrauisch mich das widrige Glük gegen die glänzendsten Offerten gemacht hat, und werden mir also glauben, dass ich nimmermehr darauf baue. Ich bin froh wenn ich 200 fl. aus beiden Stüken vom Theater gewis habe, doch will ich Schwans Rath sehr gern befolgen.

Das ist also alles was ich Ihnen jetzt von meinen Angelegenheiten schrieben kann. Es steht noch dahin ob Dalberg und ich in der Haubtsache einig werden.

Aber meine beste liebste Freundin wie froh will ich den Augenblik erwarten, der mich wieder zu Ihnen zurükbringt, wie sehr haben Sie in meinen Augen neben diesen neuen Connaissancen gewonnen! Ich will und kann auch recht fleißig bei Ihnen arbeiten. Mein Auffenthalt in B. soll mir von allen Stein der vortheilhafteste bleiben, und weder Ihnen noch mir jemals zum Vorwurf gereichen. – Wie viel, wie unendlich viel haben Sie nicht schon an meinem Herzen verbeßert, und diese Verbesserung, freuen Sie Sich, hat schon einige gefärliche Proben ausgehalten. Fühlen Sie ihn ganz, den Gedanken, denjenigen zu einem guten Menschen gebildet zu haben, und noch zu bilden, der, wenn er schlecht wäre, Gelegenheit hätte Tausend zu verderben. –

Aber wie bringen denn Sie jetzt Ihre Tage zu. Sehr düster, sagt mir Ihr lezter Brief. Hoffentlich ist die Lotte wieder bei Ihnen gewesen, oder wirklich noch bei Ihnen. Sollten Sie bei dieser lieben vortreflichen Tochter eine Freude vermissen? Beste Freundin, Sie haben das seltene grose Glük so gute Kinder – so liebe Geschwister, und einen (wenigstens einen) recht treuen und zärtlichen Freund zu haben, und doch solte eine Melankolie bei Ihnen einwurzeln können? Sollten Sie – eine Christin – die es fühlt, daß der Faden unserer Schiksale durch die Hand Gottes geht, an wahren Glükseligkeiten des Lebens verzweifeln? Nein meine Theuerste, ich wies, dieses thun Sie nicht, und, wenn das Ihre Beruhigung vermehren kann, ich hafte Ihnen für ewige Freundschaft. Daß Sie mich 100,000,000 mal der lieben Lotte empfehlen, versteht sich, und sagen Sie Ihr auch, dass ich schon einen Brief an sie angefangen, aber wieder zerrissen habe, weil ich ihn unmöglich kalt schreiben, und die Amtmännin kein warmen sehen kann. Rheinwald grüßen Sie, und beide Pfarrers. Auch die Judith lass ich schön grüßen, und es freut mich, dass sie mich noch lieb hat. Grüßen Sie mir alle Pläze in Bauerbach und laßen Sie mich jetzt Gebrauch von dem Titel machen, den Sie mir gegeben haben, und der von keinem stolzern verdrängt werden soll: – laßen Sie mich beste Mama mich Ihren zärtlichsten Sohn nennen.

Schiller.