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Schiller an Henriette v. Wolzogen, 8. Januar 1783

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Hannover den 8. Jenn. [Mittwoch] 1783.1

Werden Sie mich entschuldigen beste Frau, dass ich Sie so viele Wochen ohne Nachrichten von meinem Schicksale ließ? Ich komme sehr ungern auf mich zu sprechen; wenn mir wohl ist, begnüge ich mich dass es so ist, und bin ich übel daran, so ist es doppelt nicht nöthig. Ich habe eine Hauptveränderung in meinem Plane gemacht, und da ich anfangs nach Berlin wollte, wend ich mich jetzt vielleicht gar nach England. Doch gewis ist es noch nicht, so große Lust ich habe, die Neue Welt zu sehen. Wenn Nordamerika frei wird, so ist es ausgemacht, dass ich hingehe. In meinen Adern siedet etwas – ich möchte gern in dieser holperichten Welt einige Sprünge machen, von denen man erzählen soll. Schreiben Sie mir doch, und lassen Sie mich hören dass Sie meine Freundin noch sind. Ich habe vor einigen Wochen – aber Sie müssen es mir verzeihen – ein Gerücht ausgestreut dass ich nach Bauerbach sey. Ihnen kann es nichts schaden, aber mir nüzen. Sehen Sie, fürs Erste hätte ich alle meine Freunde für den Kopf gestoßen, wenn ich ihnen gestanden hätte, dass ich nicht nach Berlin gehen wollte, wozu sie mir, die mannheimischen besonders, so edle Offerten gemacht. Fürs 2te wäre ich gern ohne Streichern gereißt, der mich ohne Zweifel hätte begleiten wollen, wenn er meinen wahren Plan gewusst hätte. Zum 3ten wäre ich gern incognito gereißt. Sobald man es aber zu Mannheim oder Frankfurt erfahren hätte, würde es izt überall bekannt seyn, dass ich nach Hannover sey. Glaubt man aber ich sei zu Bauerbach, so bin ich vor allen Entdekungen sicher. Endlich und leztens bin ich vor überlästigen Briefen gesichert, wenn man meinen Aufenthalt zu Hannover nicht weiß. Nach Bauerbach kann man schreiben. Sie haben ja einen Verwalter dort? Nicht? – der kann die Correspondenz unterhalten?

Lassen Sie mich doch wissen ob Ihr ältester Sohn aus der Academie gekommen, und wo er angestellt worden. Nicht wahr zu Hohenheim? – Auch empfehlen Sie mich ihm vielmals.

Sie haben mich in Ihrem lezten Briefe (vom 13. November) gebeten, den Herzog in Schriften zu schonen, weil ich doch (meynen Sie) der Academie viel zu verdanken hätte. Ich will nicht untersuchen, wie weit dem so ist, aber mein Wort haben Sie, dass ich den Herzog von Wirtemberg niemals verkleinern will. Im Gegentheil habe ich seine Parthie gegen Ausländer (Franken und Hannoveraner besonders) schon hizig genommen.

Von der Hauptmann Vischerin habe ich etwas gehört, das mir unangenehm ist. Ich schrieb ihr vor etlichen Monaten eine (etwas übereitlen) Brief, der so beschaffen war, dass ihn niemand zu Gesicht bekommen durfte. Die Vischerin communizirte ihn einem gewisen Offizier. Sie hätte mir lieber weis nicht was thun können. Eine solche Indiskrezion (das ist der gelindeste Name) thut weh, und ich dachte besser von ihr. Wie mus ich mich doch so oft in meinen liebsten Personen betrügen! –

Nun leben Sie wol beste Wolzogen, und legen Sie den Brief (wenn Sie mich nicht auch schon vergessen haben, und einer Antwort noch werth halten) bey meinen Eltern nieder. Ich sehe Sie vielleicht mein Lebtag nicht wieder, aber mein Herz ist bei Ihnen, und wenn Sie allein sind, so denken Sie bei sich selbst: Izt denkt man einige 100 Stund weit an mich. Ewig Ihr treuester

Frid. Schiller.

p. p.

Die Vischerin lassen Sie nichts merken. Es sollte mir doch weh thun, wenn sie wüßte, dass ich von Stuttgardt aus – und von ihren ersten Freunden fast alles erfahre.