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Schiller an Heribert von Dalberg, 15. Juli 1782

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Stuttgardt d. 15. Jul. [Montag] 1782.

Mein langes Stillschweigen wird mir bei euer Exzellenz beinahe den Vorwurf der Indiscretion zugezogen haben, weil ich es nicht nur anstehen ließ, hochdero lezten gnädigen Brief zu beantworten, sondern auch die 2 bewußte Bücher so lange zurükbehielt. Beides wurde durch eine verdrüßliche Geschichte, die ich hier hatte, verzögert. Euer Excellenz werden ohne Zweifel nicht wenig Verwunderung bezeugen, wenn ich Ihnen sage daß ich wegen meiner lezten Hinreise zu Ihnen 14 Tage in Arrest1 gesperrt wurde. Alles wurde meinem Landesherrn haarklein berichtet. Ich hatte deßwegen eine persönliche Unterredung mit ihm gehabt.

Wenn Euer Exzellenz glauben, daß sich meine Aussichten, zu Ihnen zu kommen, möglich machen lassen, so wäre meine einzige Bitte solche zu beschleunigen. Warum ich dieses jezt doppelt wünsche, hat eine Ursache, die ich keinem Brief anvertrauen darf. Dieses einzige kann ich Ihnen für ganz gewiß sagen, daß in etlichen Monaten, wenn ich in dieser Zeit nicht das Glük habe, zu Ihnen zu kommen, keine Aussicht mehr da ist, daß ich jemals bei Ihnen leben kann. Ich werde alsdann gezwungen seyn, einen Schritt zu thun, der mir unmöglich machen würde, zu Mannheim zu bleiben. Mein Trauerspiel die Verschwörung des Fiesko zu Genua wird biß in die Mitte des Augusts fertig, und fähig seyn Euer Exzellenz zur Prüfung vorgelegt zu werden.

Die Geschichte des Spaniers Dom Carlos verdient allerdings den Pinsel eines Dramatikers, und ist vielleicht eines von den nächsten Sujets das ich bearbeiten werde.

Wagners Kindsmörderin hat rührende Situationen und interessante Züge. Doch erhebt sie sich über den Grad der Mittelmäßigkeit nicht. Sie würkt nicht sehr auf meine Empfindung und hat zu viel Wasser. Um den Macbeth hat er gar nicht das geringste Verdienst.2

Beide Bücher sende ich Euer Excellenz mit dem unterthänigsten Dank zurük. Ich würde den Namen Dalbergs niemalen an die Spize einer solchen Arbeit zu sezen wagen.3

Ich schließe mit der Erklärung meiner vollkommensten Dankbarkeit für den Antheil den euer Excellenz bißher an meinem Schiksal genommen, und werde nie aufhören mit der größten Veneration mich zu nennen

Euer Excellenz ganz unterthänigen Diener und Verehrer

Schiller MD.