HomeBriefeAn Heribert von DalbergSchiller an Heribert von Dalberg, 29. September 1783

Schiller an Heribert von Dalberg, 29. September 1783

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Mannheim, d. 29. Sept. 83.

Die gnädige Zuschrift Ewr. Exzellenz, die mir doppelt schmeichelhaft seyn muß, da die Reize des Landlebens alle Erinnerungen an Litteratur und Schriftsteller beinahe verdrängen könnten, hat mich aus einer Art von Schlafsucht emporgerissen. Spuren von Krankheit, die mich nur sehr langsam verlaßen wollen, und vorzüglich auf meinen Kopf wirken, die Unentschlüßigkeit, woran ich nunmehr die Feder sezen soll, und zugleich die Entfernung Euer Exzellenz die mir Mannheim zu einem verwaisten Schauplaz macht haben mich bis heute von allen Arbeiten des Geists zurükgezogen. So groß neulich mein Verlangen war, Sie wieder zu sehen, und mich in Ihrer Gegenwart zu grosen Unternehmungen zu entzünden, so wehe that mir die Nachricht, daß Euer Exzellenz uns verlaßen hätten. Ich hoffe und wünsche für diesen Verlust bald und vollkommen wieder getröstet zu werden. Was meine theatralische Arbeiten anbetrift, so erwarte ich ganz allein den Rath Euer Exzellenz ob ich zuerst den Fiesco, oder die Louise Millerin endigen soll. Beides zusammengenommen ist ein Geschäft für 4 Wochen, und da der Fiesco ohne Zweifel für die CarnevalZeiten bestimmt werden dörfte, meine Louise Millerin aber ein kleineres einfacheres Stük ist, so vermuthe ich, dass die Wahl E. E. auf die leztere fallen werde.

Die Anmerkungen über meinen Fiesco finde ich im Ganzen sehr wahr, vorzüglich stimme ich dem Tadel meiner Frauenzimmerkaraktere bei. Ich mus bekennen, dass ich an den 2 ersten Szenen des II. Akts mit einer Art von Widerwillen gearbeitet, der nunmehr dem feinern Leser nur zu sichtbar geworden ist. Zu gutem Glük fallen diese 2 Szenen, ohnbeschadet des Stüks, in der Umarbeitung ganz weg. Die blühende Sprache ist auf der Bühne mehr als auffallend – sie ist lächerlich, und solche lange Monologen ermüden. Der fünfte Akt wird eine Hauptveränderung leiden, und überhaubt hoffe ich, das Stük in einer solchen Gestalt aufzustellen, daß Euer Exzellenz und Mannheim damit zufrieden sind.

Mein Urtheil über den Schlenzheim ist ganz nur die Folge der ersten Vorstellung, und wenn ich meine Empfindungen dabei ganz einfach heraussagen soll so wird meine Kritik nicht sehr zum Vortheil des Stüks ausfallen.

Was es kräftiges und nahrhaftes für das Herz und das Aug hat, meine ich in dem (übrigens elenden) Grafen Walltron und Mersiers Deserteur schon erfahren zu haben. Die beiden ersten Aufzüge möchten gelten, aber die Entwiklung in den lezten ist fürchterlich schlecht. Vielleicht behaubten aber dergl. Stüke dennoch ihren Plaz auf dem Schauplaz, weil ihr Gegenstand handgreiflicher zu Gesicht ligt, als die Hofintriguen in einer Emilia.

Meine Kritik über Sikingen wollte ich bisher nicht gern aus einem kranken Gehirne herausspinnen; sie wird also später, aber desto gewissenhafter und vollständiger erschienen. Immer däucht es mich eine Frechheit zu seyn, wenn ein jugendlicher Kopf die Arbeiten des reifern Mannes – auch sogar bei gleichen Fähigkeiten – richten soll.

Die Bearbeitung der Theatralischen fragen wird eine sehr angenehme und fruchtbare Uebung für meine freie Augenblike werden, und dann mus die Gegeneinanderhaltung vieler Aufsäze über ebendenselben Gegenstand höchst unterrichtend für den dramatischen Schriftsteller seyn.

Ueber das Nähere meiner Contractspuncte kann ich Euer Exzellenz nicht anders als mündlich unterhalten, welches Vergnügen sich auf das sehnlichste wünscht

Euer Exzellenz unterthänig ergebenster Diener

F. Schiller.