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Schiller an Heribert von Dalberg, 3. November 1781

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Stuttgardt d. 3. Novembr. [Sonnabend] 81.

Die mit höchster Begierde erwartete Antwort und Kritik meines verlorenen Sohns habe ich richtig erhalten, und bedaure nur daß die Verzögerung derselben ihren Grund in einer Krankheit gehabt hat, wovon ich E. E. von Herzen befreyht wünsche. Das was Ihnen darin tadelnswerth erschienen, konnte ich freilich selbsten nicht so leicht finden, weil mir sowohl gewisse Theaterbeziehungen unbekannt sind, als auch das Stük selbst in einer allzugroßen Nähe steht, daß der kritische Verstand, der sein Objekt notwendig in perspektivischer Entfernung gestellt haben muß, über viele Nüancen hinweggleitet. Diß einzige kam mir befremdlich für, daß E. E. die poëtische Seite des Stüks in der Umarbeitung ungern vermissen, welche meinem Bedünken nach jederzeit mit Vortheil von einem Theaterstük wegbleiben darf.

Das günstige Urtheil über die Verdammung Franzens ist mir um so angenehmer, da ich es weniger bei diesem Fall als etwa bei der Ermordung Amaliens und ihrer Situation mit dem Räuber im IVten Akt erwartet hätte. Theatralisch mag es immerhin von der auffallendsten Wirkung seyn. Daß E. E. die Amalia lieber erschießen als erstechen lassen wollen gefällt mir ungemein, und ich willige mit Vergnügen in diese Veränderung. Der Effekt muß erstaunlich seyn, und kömmt mir auch räubermäßiger vor. Was sonstige Abänderungen betrift so stell ich es dem Gutbefinden E. E. anheim damit zu schalten und zu walten wie Sie wollen. Freilich wünscht ich zuweilen auch ein Wort zur Beleuchtung gewisser Stellen sprechen zu dörfen.

Wenn ich Ihnen die Frage: ob das Stük nicht mit Vortheil in spätere Zeiten zurükgeschoben werden könnte, meine unmaßgebliche Meinung sagen darf, so gestehe ich, ich wünschte diese Veränderung nicht. Alle Karaktere sind zu aufgeklärt zu modern angelegt, daß das ganze Stück untergehen würde wenn die Zeit, worin es geführt wird, verändert würde. Doch meine Meinung ist vielleicht zu einseitig, und soll auch nicht binden. Sonst wüßte ich nichts zu Legitimation meiner Umarbeitung hinzuzusezen, wenigstens nichts was sich leicht in die Gränzen eines Briefs einschränken ließ. Lebendiger und anschauender wäre vielleicht öfters meine Rechtfertigung bei einzelnen Passagen selbst, denn ich erinnere mich noch wol, daß es mich hie und da eine kleine Anstrengung gekostet hat, so und nicht anders zu handeln. Übrigens unterwerfe ich meine Arbeit gänzlich dem Urteil der Kenner, und habe also zu der Kritik des Vornehmsten unter diesen kein Wort hinzuzusezen.

Euer Excellenz
ganz unterthäniger
D. Schiller.