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Schiller an Heribert von Dalberg, 6. Oktober 1781

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Stuttgardt d. 6. 8br. [Sonnabend] 81.

Hier erscheint endlich der Verlorene Sohn, oder die umgeschmolzenen Räuber. Freilich habe ich nicht auf den Termin, den ich selbst festsezte, wort gehalten, aber ich bedarf nur eines flüchtigen Bliks über die Menge und Wichtigkeit der getroffenen Veränderungen, mich gänzlich zu entschuldigen. Dazu komt noch, daß eine Ruhrepidemie in meinem Regiments Lazaret mich von meinen otiis poëticis sehr oft abrief.

Nach vollendeter Arbeit darf ich Sie versichern, daß ich mit weniger Anstrengung des Geistes und gewiß mit noch weit mehr Vergnügen ein neues Stük, ja selbst ein Meisterstük schaffen wollte, als mich der nun gethanen Arbeit nochmals unterziehen. – Hier mußte ich Fehlern abhelfen, die in der Grundanlage des Stüks schon notwendig wurzeln, hier mußte ich an sich gute Züge den Gränzen der Bühne, dem Eigensinn des Parterre, dem Unverstand der Gallerie oder sonst leidigen Convenzionen aufopfern, und einem so durchdringenden Kenner, wie ich in Ihnen zu verehren weiß, wird es nicht unbekannt seyn können, daß es wie in der Natur, so auf der Bühne, für Eine Idee, Eine Empfindung, auch nur Einen Ausdruk, Ein Kolorit gibt. Eine Veränderung, die ich in einem Karakterzug vornehme, gibt oft dem ganzen Karakter, und folglich auch seinen Handlungen und der auf diesen Handlungen ruhenden Mechanik des Stüks eine andere Wendung. Also Herrmann. Wiederum stehen die Räuber im Original unter sich in lebhaftem Contrast, und gewiß wird ein jeder Mühe haben, Vier oder Fünf Räuber contrastieren zu lassen, ohne in einem von ihnen gegen die Delikatesse des Schauplazes anzurennen. Als ich es anfangs dachte, und den Plan davon bei mir entwarf dacht ich mir die theatralische Darstellung hinweg. – Daher kams, daß Franz als ein raisonnirender Bösewicht angelegt worden, eine Anlage, die, so gewiß sie den denkenden Leser befriedigen wird, so gewiß den Zuschauer der vor sich nicht philosophirt, sondern gehandelt haben will, ermüden und verdrießen muß. In der veränderten Auflage konnte ich diesen Grundriß nicht übern Haufen werfen, ohne dadurch der ganzen Ökonomie des Stüks einen Stoß zu geben; ich sehe also mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit voraus, daß Franz wenn er nun auf der Bühne erscheinen wird, die Rolle nicht spielen werde, die er beim Lesen gespielt hat. Dazu kommt noch, daß der hinreißende Strom der Handlung den Zuschauer an den feinen Nüancen vorüberreißt, und ihn also um wenigstens den dritten Theil des ganzen Karakters bringt. Der Räuber Moor, wenn er, wie ich zum voraus versichert bin, seinen Mann unter den H. H. Schauspielern findet, dörfte auf dem Schaupalz Epoche machen, einige wenige Speculationen, die aber auch als unentberlich Farben in dis ganze Gemälde spielen, weggerechnet, ist er ganz Handlung ganz anschauliches Leben.

Spiegelberg, Schweizer, Herrmann u. s. w. sind im eigentlichen Verstande Menschen für den Schauplaz, weniger Amalia und der Vater.

Ich habe schriftliche, mündliche und gedrukte Recensionen zu benuzen gesucht. Man hat mehr von mir gefordert, als ich leisten konnte, denn nur dem Verfasser eines Stücks, zumal wenn er selbst noch Verbesserer wird, zeigt sich das non plus ultra vollkommen. Die Verbeßerungen sind wichtig, zerschiedene Scenen ganz neu, und, meiner Meinung nach, das ganze Stük werth.

Darunter gehören: Herrmanns Gegenintriguen, die Franzens Plan untergraben, seine Scene mit diesem, die in der 1sten Ausarbeitung (nach dem vollkommenen Sinn meines Erfurter Rezensenten1) gänzlich und sehr unglüklich vergessen worden. Doch hat mein Rezensent den Ausgang dieser Unterhaltung anders erwartet, aber ich bin überzeugt, mit weniger Gründen, als ich ihn, so wie er izt ist, für Recht hielt. Seine Scene mit Amalien im Garten ist um einen Akt zurückgesezt worden, und meine guten Freunde sagen, daß ich im ganzen Stük keinen bessern Ort hätte dazu wählen können, als diesen, keine bessere Zeit, als einige Augenblike vor Moors Scene mit Amalien. Franz ist der Menschheit etwas näher gebracht, aber der Weg dazu ist seltsam. Eine Scene wie seine Verurteilung im Vten Akt, ist meines Wissens auf keinem Schauplaz erlebt, eben so wenig als Amaliens Aufopferung durch ihren Geliebten. Die Katastrophe des Stüks däucht mich nun die Krone desselben zu seyn. Moor spielt seine Rolle ganz aus, und ich wette, daß man ihn nicht in dem Augenblik vergessen wird, als der Vorhang der Bühne gefallen ist. Wenn das Stük zu groß seyn sollte, so steht es in der Willkühr des Theaters, raisonnements abzukürzen oder hie und da etwas unbeschadet des ganzen Eindruks hinweg zu thun. Aber dawider protestiere ich höchlich, daß beim Druken etwas hinweggelassen wird; denn ich hatte meine guten Gründe zu allem, was ich stehen ließ, und so weit geht meine Nachgiebigkeit gegen die Bühne nicht, daß ich Lüken lasse und Karaktere der Menschheit für die Bequemlichkeit der Spieler verstümmele. – In Absicht auf die Wahl der Kleidung erlauben Sie mir nur die unmaßgebliche Bemerkung; Sie ist in der Natur eine Kleinigkeit, niemals auf der Bühne. Meines R. Moors Geschmak darin wird nicht schwer zu treffen seyn, doch bin ich auch auf diese Kleinigkeit äußerst begierig, wenn ich so glüklich bin Zeuge der Vorstellung zu seyn.

Einen Busch trägt er auf dem Hut, denn dieses kommt namentlich im Stük vor, zu der Zeit da er sein Amt niederlegt. Ich gäbe ihm auch einen Stok zu. Seine Kleidung müßte immer edel ohne Zierung, nachläßig ohne leichtsinnig seyn.

Ein vortrefflicher junger Componist arbeitet wirklich an einer Simfonie für meinen verlorenen Sohn; ich weiß, daß sie meisterlich wird. Sobald sie fertig ist, bin ich so frei, sie Ihnen zu offerieren.

Nun entschuldigen Sie auch die ungleiche Handschrift, das unkorrekte der Schreibart. Ich eilte Ihnen das Stük zu schiken und darum zweierlei Hand, und darum nahm ich mir auch nicht Zeit, dasselbe zu corrigieren. Mein Kopist hat, nach Gewohnheit aller beßerwissenwollender Schreiber die orthographie oft erbärmlich mißhandelt. Schließlich empfehle ich mich und meine Arbeit der Nachsicht eines verehrungswürdigen

Kenners
D. Schiller
RMedicus.