HomeBriefeAn seine ElternSchiller an Johann Schiller, 26. Oktober 1790

Schiller an Johann Schiller, 26. Oktober 1790

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Jena den 26. Octob. [Dienstag] 90.

Eben, liebster Vater, komme ich mit meiner lieben Lotte von Rudolstadt zurück, wo ich eine Theil der Ferien zubrachte, und finde Ihren Brief. Herzlichen Dank für die fröhliche Nachrichten die Sie mir darinn von der zunehmenden Gesundheit unsrer lieben Mutter geben, und von ihrem allerseitigen Wohlbefinden. Die Ueberzeugung, daß es Ihnen wohl geht und daß von den liebsten meinigen keines leidet, erhöhet mir die Glückseligkeit, die ich an der Seite meiner theuren Lotte genieße.

Sie sorgen auch in noch so großer Entfernung für Ihre Kinder und beschenken unsre kleine Haushaltung. Den herzlichsten Dank von uns beiden für den überschickten Wein. Heute ist er wohlbehalten angekommen und mit der nächsten fahrenden Post sollen Reinwalds ihr Deputat erhalten. Wir wollen übermorgen Ihren Geburtstag feyern, als wenn Sie gegenwärtig wären, und von ganzem Herzen Ihre Gesundheit trinken.

Hier schicke ich Ihnen ein kleines Produkt meiner Feder, welches meiner lieben Mutter und Schwestern vielleicht Freude macht; denn für Damen soll es wenigstens geschrieben seyn. Im Jahr 1790 hat Wieland den histor. Calender herausgegeben, in diesem 1791 und im nächsten 1792 hab ich ihn übernommen. So unbedeutend ein Calender zu seyn scheint, so ist es doch dasjenige Buch, das die Buchhändler am weitesten verbreiten können, und das ihnen deßwegen auch am besten bezahlt wird. Daher können sie auch den Autoren verhältnißmäßig weit mehr dafür anbieten. Mir ist dieser Aufsatz vom 30jährigen Krieg mit 80 Louisdors bezahlt worden und ich hab ihn neben meinen Vorlesungen innerhalb von 4 Monaten ausgearbeitet. Druck, Kupferstiche, Band u. Honorar kommen den Verleger auf 4500 Rchsth. zu stehen, er rechnet aber auf einen Absatz von 7000 Exemplar, u. darüber. Die Nachrichten von Mylius freuten mich, und es ist mir angenehm einen alten guten Freund von Ihnen und mir in meine nähere Nachbarschaft zu bekommen, denn wir werden schwerlich über 13 Meilen von einander seyn. Er hätte eben so gut auch am Weimarischen Hof Dienste bekommen können, weil unser Herzog gern fremde anzieht, die Vermögen in seinem Land verzehren. Ich selbst hätte mir getraut es bey dem Herzog anhängig zu machen, denn ich stehe ziemlich gut ihm und seinen vertrauten Räthen.

Den 28. Heute ist Ihr Geburtstag liebster Vater, den wir beide mit innigster Freude feyern, daß uns der Himmel Sie gesund u. glücklich bis hieher erhalten hat. Möge er ferner über Ihr theures Leben u. Ihre Gesundheit wachen, und Ihre Tage bis in das späteste Alter verlängern, daß Ihr dankbarer Sohn es ausführen könne, Freude und Zufriedenheit über den Abend Ihres Lebens zu verbreiten, und die Schulden der kindlichen Pflicht an Sie abzutragen.

Leben Sie wohl theuerster Vater. Herzliche Küsse unsrer liebsten Mutter und meinen geliebten Schwestern, bald werden wir wieder schreiben.

Der Wein ist glücklich angekommen, und noch einmal empfangen Sie unsern herzlichen Dank.

Ihr
Dankbarer gehorsamer Sohn
Fridrich.