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Schiller an Siegfried Crusius, 8. Oktober 1791

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Jena d. 8. Oct. [Sonnabend] 91.

Endlich nach langer Zeit kann ich wieder die Feder zur Hand nehmen und auf Erfüllung meiner Zusagen denken. Wie schwer ich seit neun Monaten krank gewesen, wissen Sie ohne Zweifel schon längst, und auch, daß ich mehr als einmal dem Tode nahe war. Dies machte einen Stillstand in allen meinen Geschäften, auch für den 30jährigen Krieg, der in dem histor. Kalender 1792 enthalten seyn wird, konnte ich nur die wenigen Bogen geben, welche schon vor meiner Krankheit größtentheils ausgearbeitet waren. Sie thaten mir Unrecht, mein werthester Freund, wenn Sie glaubten, daß ich Sie einem andern nachgesetzt, und durch Uebernehmung des histor. Kalenders die Niederl. Geschichte zurückgesetzt habe. Ein anderes ist eine Arbeit für Damen und die Modewelt, ein anderes ein Werk für die Nachwelt. Das letztere wird langsam reif, wenn das erste leicht von der Feder fließt. In keinem Falle würde ich mit Fortsetzung der Niederl. Geschichte so geschwind haben hervortreten können, als Sie und vielleicht auch das Publikum wünschten. Sie werden mir gerne glauben, daß die günstige Aufnahme dieses Ersten Theils meinen Eifer nicht vermindert haben werde, aber dieses ist gewiß, daß eben für dasselbe diese gute Aufnahme, die zwanzig andre nachlässiger und vorschneller gemacht haben möchte, mich gerade umgekehrt sorgfältiger und strenger gegen mich selbst gemacht hat. Rechnen Sie mir dieses nicht zum Vorwurf an, denn mancher Verleger, glaube ich, befände sich besser, wenn alle Autoren hierin meine Maxime befolgten.

Weil ich jetzt noch nicht in den Umständen bin, um den Ertrag meiner Schriften gar nicht in Rechnung bringen zu dürfen, so werden Sie es nach Ihrer Billigkeit gewiß auch nicht zum Vorwurf machen, daß ich diese Zeit über Arbeiten übernahm, die mir gerade viermal theurer bezahlt wurden und auch bezahlt werden konnten, als mir die Niederl. Geschichte bezahlt wird, ohne mich mehr, ja auch nur so viel Zeit und Mühe zu kosten als diese. Dieser Umstand allein würde mich doch nicht vermocht haben, die Niederl. Geschichte zu verzögern, wenn zur Ausarbeitung derselben nicht mehr Muße gehörte, als ich bisher gehabt habe.

Um jedoch einen Theil meiner Verbindlichkeiten gegen Sie abzutragen, wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, zwey Bändchen meiner Vermischten Prosaischen Schriften auf die nächste Ostermesse herausgeben. Der Vorrath hat sich unterdessen sehr vermehrt, so daß es, in kleinem Format und nicht zu enge gedruckt, beynahe zwei Alphabete geben wird. Auch das Bändchen Gedichte würde ich Ihnen auf die nämliche Messe versprechen, wenn ich mich auf meine Gesundheit, die noch immer sehr weit zurück ist, einigermaßen verlassen könnte.

Sie erhalten zugleich binnen 6-8 Wochen die Geschichte des Maltheserordens, welche ich, da der junge Berling vieles zu flüchtig bearbeitet hatte, reiferen Händen übergab und Ihnen in einer weit bessern Gestalt zuschicken werde. Ich ersuche Sie bei dieser Gelegenheit, sich mit gedachtem Berling ja nicht unmittelbar einzulassen, indem er die Erwartungen sehr schlecht erfüllt, die ich sowohl von seinem Fleiß als von seiner Genauigkeit im Wort halten gefaßt habe. Lassen Sie sich besonders nicht darauf ein, ihm Honorar vorzuschießen, da ich ihm bereits über 100 Thaler davon selbst avancirt habe und er also für mehr als die Hälfte des Werks mein Schuldner ist. Von mir erhalten Sie jetzt dieses Werk, und ich kann mich für die Güte desselben verbürgen.

Ich habe die Ehre mit aller Achtung mich zu nennen Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener

Schiller.