HomeBriefeAn Wilhelm ReinwaldSchiller an Wilhelm Reinwald, 21. Februar 1783

Schiller an Wilhelm Reinwald, 21. Februar 1783

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Bauerbach d. 21. Febr. [Freitag] 1783.

Sie werden denken, ich sei indeß gestorben, oder ich habe Sie vergessen, weil ich Ihnen nicht eine Zeile schrieb. Das leztere kann wenigstens nur seyn, wenn das erste ist, und dieses ist ja nun nicht.

Ich höre zu meinem Leidwesen, daß Sie neulich einen Felgang um meinetwillen gemacht haben. Ich war schon am Anfang des Walds, als es mit Macht zu schneyen anfieng, und wandte aus keiner andern Ursache um, als weil ich gewis glaubte, das Wetter würde Sie abschröken. Mir selbst wär es ganz das nemliche gewesen, aber ich traute es Ihrer schwächeren Natur nicht zu, und einen Felgang wollte ich um so weniger Gefahr lauffen, weil ich mein Schauspiel gern expediert hätte. Sie haben also nur meine Muthmaßung, aber gewis nicht meine Freundschaft beschämt. Sezen Sie nun den nächsten erträglichen Tag selbst aus, so will ich meine Versäumniß hereinbringen. Liebster Freund, ich wünschte Sie so oft – so oft in meine einsame grillenhafte Zelle herein, und möchte oft meine tägliche Kost um eine menschliche Gesellschaft dahingeben.

Gelegenheitlich muß ich anmerken, daß ich nunmehr der Meinung bin, daß das Genie wo nicht unterdrükt, doch entsezlich zurükwachsen, zusammenschrumpfen kann, wenn ihm der Stoß von außen fehlt. Man sagt sonst, es hälfe sich in allen Fällen selbst auf – ich glaub es nimmer. Wenn ich mich im weitesten Verstand zum Beispiel sezen kann, so beweißt meine jezige Seelenlage das Gegentheil. Mühsam und wirklich oft wider allen Dank mus ich eine Laune eine dichterische Stimmung hervorarbeiten, die mich in zehen Minuten bei einem guten denkenden Freunde sonst anwandelt. Oft auch bei einem vortreflichen Buch oder im offenen Himmel. Es scheint, Gedanken laßen sich nur durch Gedanken loken – und unsre Geisteskräfte müßen wie die Saiten eines Instruments durch Geister gespielt werden. Wie gros mus das Originalgenie also seyn, das weder in seinem Himmelstrich und Erdreich noch in seinem gesellschaftlichen Kreis Aufmunterung findet, und aus der Barbarei selbst hervorspringt.1

Hören Sie. Wenn ich nicht vortheilhaft mit Weigand2 fahren sollte, so habe ich ziemlich Lust es mit der Deßauischen Casse3 zu probieren. Schreiben Sie mir nur das einzige, ob es bald gedrukt würde, wenn ich mich mit dieser einließe. Daß es nicht gleich bezalt wird, weis ich. Aber so vortheilhaft ich auch mit Buchhändler handle, so glaube ich doch, treiben sich die Revenüen eines Buchs durch den Weeg der Deßauischen Casse noch höher.

Mündlich das mehrere. Laßen Sie mich doch wißen sobald Sie abkommen können.

Ohne Veränderung Ihr

R.