HomeBriefeAn Wilhelm ReinwaldSchiller an Wilhelm Reinwald, 27. März 1783

Schiller an Wilhelm Reinwald, 27. März 1783

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Bauerbach d. 27. März [Donnerstag] 83.

Ich seze mich nieder, mein langes Stillschweigen, das einen Mangel an Gelegenheit zur Ursache hatte, jezt auf einmal hereinzubringen. Zwei Briefe waren schon auf dem Weeg zu Ihnen, und beidesmal kamen ihre Überbringer wegen verschlimmertem Wetter zurük.

Mit Weygand bin ich fertig, wie Sie aus dem Einschluß abnehmen werden. Ob ich mit Dalberg zu Stande kommen kann, zweifle ich. Ich kenne ihn ziemlich, und meine Louise Millerin hat zerschiedene Eigenschaften an sich, welche auf dem Theater nicht wol passieren. Z. e. Die gothische Vermischung von Komischem und Tragischem, die allzufreie Darstellung einiger mächtigen Narrenarten, und die zerstreuende Mannichfaltigkeit des Details. Eröfnen Sie mir Ihre Meinung darüber. Eh ich mich in einen Weigandartigen Handel mit Dalbergen einlaße, will ich die Sache lieber gar nicht in Bewegung bringen.

Über ein neues Stük bin ich mit mir einig. Um meines langen hin und her Schwankens zwischen Imhof und Maria Stuart los zu seyn, hab ich beide, bis auf weitere Ordre, zurükgelegt, und arbeite nunmehr entschlossen und fest auf einen Dom Karlos zu. Ich finde, daß diese Geschichte mehr Einheit und Intereße zum Grunde hat als ich bisher geglaubt, und mir Gelegenheit zu starken Zeichnungen und erschütternden oder rührenden Situazionen gibt. Der Karakter eines feurigen, grosen und empfindenden Jünglings, der zugleich der Erbe einiger Kronen ist, – einer Königin, die durch den Zwang ihrer Empfindung bei allen Vortheilen ihres Schiksals verunglükt, – eines eifersüchtigen Vaters und Gemals – eines grausamen heuchlerischen Inquisitors, und barbarischen Herzogs von Alba u. s. f. sollten mir, dächte ich, nicht wol mislingen. Dazu kommt, daß man einen Mangel an solchen teutschen Stüken hat, die grose Staatspersonen behandeln – und das Mannheimische Theater dieses Sujet von mir bearbeitet wünscht. Auch hier, lieber werter Mann, erwarte ich Ihren, mir immer wichtigen, Rath – und weil Sie mich schon so weit verbunden haben, daß ich Ihnen die Vortheile und den Ruhm meiner jezigen Beschäftigungen hälftig verdanken mus, so entziehen Sie mir auch hiebei Ihre freundschaftliche Unterstüzung nicht. Wenn ich eine spanische Geschichte mit Vortheil behandeln soll, so werde ich nothwendig mit dem Nationalkarakter, den Sitten, und der Staatistik des Volks bekannt seyn müssen. Sie, mein Freund, wißen am besten, aus welchen Quellen ich diese Kenntnisse schöpfen kann, und werden ohne Zweifel auf der Bibliothek dergleichen Werke haben. Wenn Sie Sich nun auf einen Augenblik in meine Lage versezen, und den Zustand der Unentschloßenheit und Unthätigkeit kennen, der mir besondres hier unerträglich ist, so weis ich gewis, daß Sie keine Zeit verlieren werden, die ihren Freund in Geschäfte bringen und in Verfolgung seiner Arbeit erleichtern kann. Bälder, als ich mit Spaniens Sitten und Regierung bekannt bin, kann ich meinen Plan nicht vollenden, und noch viel weniger eine Ausführung auf gerathewol wagen. Daher hoffe ich, Sie werden meine Ungeduld wenigstens mit einigen dahineinschlagenden Werken befriedigen. Die Judith wird abends eh sie abgehet, bei Ihnen anfragen, und das was Sie mir schiken wollen, abholen. Wenn Sie allenfalls Brantomes Geschichte Philipp II besizen, so theilen Sie mir solche auch mit. –

Es sollte mich doch befremden, wenn Sie auch noch jetzt meine Fiesco nicht haben, und möchte ich wißen, ob er in der gothaer Zeitung angekündigt worden.

Die Geschichte der Bastille hat mich sehr unterhalten, und ich glaube, daß sie sich in französischer Sprache mit vielem Vergnügen lesen läßt. Ich sende sie Ihnen mit dem nächsten Botengange zurük. Haben Sie unter der Hand ein gutes Buch zu meiner Belehrung und Unterhaltung entdekt, so werden Sie ein dürres Erdreich begießen, wenn Sie mir solches kommunizieren.

Izt bester Freund fangen die herrliche Zeiten bald an, worinn die Schwalben auf unsern Himmel, und Empfindungen in unsere Brust zurükkommen. Wie sehnlich erwarte ich sie! – Einsamkeit, Misvergnügen über mein Schiksal, fehlgeschlagene Hoffnungen und vielleicht auch die veränderte Lebensart haben den Klang meines Gemüths, wenn ich so reden darf, verfälscht, und das sonst reine Instrument meiner Empfindung verstimmt. Die Freundschaft und der Mai sollen es, hoff ich, aufs neue in Gang bringen. Ein Freund soll mich mit dem Menschengeschlecht, das sich mir auf einigen häßlichen Blößen gezeigt hat, wiederum aussöhnen, und meine Muse halb weegs nach dem Kozytus wieder einholen. – aber ich verfalle in eine Melancholie, und fürchte, Sie anzusteken.

Die Frau von Wolzogen und ihre Tochter empfehlen sich Ihnen. Präzise am 17. Mai verlaßen sie Stuttgardt.

Nun leben Sie wol lieber guter Mann, und lieben Sie mich, nicht mehr und nicht weniger, als ich Sie.

Ewig der Ihrige

S.

Auf unsre nächste Zusammenkunft soll eine Szene von Dom Karlos fertig seyn, die Sie richten werden. NB. Das Gedicht!