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Schiller an Wilhelm v. Wolzogen, 16. Juni 1804

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Weimar 16. Jun. [Sonnabend] 1804.

[Ich habe] Dir lange kein Lebenszeichen [gegeben], lieber Alter, aber es ist fleißig [an Dich] gedacht worden, und jezt sehe ich Deiner baldigen Zurückkunft mit herzlichem Verlangen entgegen. Dieses Wiedersehen soll uns allen ein wahres Fest seyn, denn Du hast alsdann eine schwere Arbeit vollendet und kannst Dich pflegen. Unterdessen habe auch ich hier meine Umstände verbessert und habe Aussicht, daß es sich noch besser machen werde. Leidlich gesund bin ich auch und ziemlich thätig. Wenn Lolo nun auch sich gut hält, so wirst Du uns ganz zufrieden und heiter finden. Wir alle sehen hier dem neuen Stern aus Morgenland mit gespannter Erwartung entgegen.

Du weißt, daß ich unterdessen einen Sprung nach Berlin gemacht habe. Besonders viel habe ich dort nicht gefunden, aber einige Monate im Jahr dort zuzubringen, würde mir angenehm und nützlich seyn. Ich habe ein Bedürfniß [gefühlt, mich in einer fremden und gr]oßen Stadt zu bewegen. Einmal ist es [ja] meine Bestimmung, für eine [größere] Welt zu schrieben, meine dramatischen Arbeiten sollen auf [sie] wirken, und ich sehe mich hier in so engen kleinen Verhältnissen, daß es ein Wunder ist, wie ich nur einigermaßen etwas leisten kann, das für die größere Welt ist.

Daß ich die abentheuerliche Expedition des falschen Demetrius jezt dramatisch bearbeite, hat Dir Caroline geschrieben. Es ist ein tolles Süjet, aber ich unternehme es mit großer Lust, und hoffe, etwas gutes zu leisten. Sollte Dir etwas in die Hände fallen, was darauf Bezug hat, und mich dabei fördern könnte, so erinnere Dich meiner. Costümes aus jener Zeit (es ist jezt 200 Jahre), Münzen, Prospecte von Städten und dergl. wären [mir sehr willkommen].

[Ich lege] einen Brief vom Buchhändler [Klinger] an Dich bei, er wünscht gar [zu gerne], den Rameau von Diderot in Verlag zu bekommen. Wenns möglich, so verhilf ihm doch dazu; Du wirst ihn zu jeder Gegengefälligkeit bereit finden. Und sollte sich Klinger nicht bereden lassen, den Rameau im französischen Original drucken zu lassen, so erlaubt er vielleicht, daß eine deutsche Übersetzung davon gemacht wird. Ebenso ist auch Jacques le fataliste von Diderot mehrere Jahre vor dem französ. Original in einer deutschen Übersetzung herausgekommen, und die Neugier auf das französische wurde dadurch nur desto mehr erregt.

Voigt hat bei seiner Rückkunft aus Petersburg sehr rühmlich von Dir gesprochen und Dir volle Gerechtigkeit widerfa[hren lassen. Thue] nun auch das Deinige [lieber] Alter, um von Deinen [großen] Mühen und Sorgen Dir reiche Früchte zu erzielen.

Herzlich umarme ich Dich

Dein Sch.