HomeBriefeAn Wilhelm v. WolzogenSchiller an Wilhelm v. Wolzogen, 18. Januar 1784

Schiller an Wilhelm v. Wolzogen, 18. Januar 1784

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Mannheim den 18. Jenner [Sonntag] 84.

Bester Freund!

Daß Sie mir ja nicht wegen meinem langen Stillschweigen böse werden, davon sie den wichtigsten Grund schon von Selbst errathen haben. Wahrhaftig, ich kann mir meinen Leichtsinn und meine Nachläßigkeit in Beantwortung der Briefe nicht vergeben – und noch weniger abgewöhnen. Eltern und Freunde und Buchhändler klagen über mich. Glauben Sie unterdessen, mein Bester, daß diese Unrichtigkeit im Schreiben in gar keinem Zusammenhang mit meiner Freundschaft und meinem Herzen ist.

Wie sehnlich wünschte ich Ihr Schiksal zu Ihrem Vortheil entschieden. Wie ganz füle ich Ihre Lage. – Es war auch die meinige. Solten Sie aber am Ziele noch unterliegen? Sie haben eine Meile zurükgelegt. Machen Sei immer auch diese Spanne noch. Es wird sich, es mus sich bald auflösen.

Ihre Neigung, Jurist zu werden, hat in so fern meinen vollkommensten Beifall, wenn Sie Ihrem jezigen Fach nicht ganz ungetreu werden wollen. Die Verbindung der Jurisprudenz mit dem Studium der Finanzen berechtigt sie zu den grösten und fruchbarsten Posten in einem Staat, und öffnet Ihnen eine der glänzendsten Bahnen – aber, mein Lieber, werden Sie Sich in diesem neuen weitschichtigen Feld nicht zu sehr verlieren? – Wir die nothwendige Beschäftigung mit den Elementen einer so trokenen Wissenschaft Ihrem noch thätigem Denken verlangenden Geist nicht unerträglich werden? Wird es Ihre Seelenkräfte nicht theilen? – Die Engländer werfen sich mit allen Geisteskräften auf einen oft eingeschränkten Theil einer Wissenschaft und Kunst, und werden in diesem einzig und gros – es ist gefärlich, die Fläche zu weit aus einander zu treiben, denn die wird in eben dem Grade dünner und schwächer. Indeß können Sie von Ihrem Talent und Ihrer Jugend mit Recht einen glüklichen Fortgang erwarten. Ich bin auch darinn ganz Ihrer Meinung, daß Wirtemberg nicht nothwendig die Sfäre Ihrer Thätigkeit seyn müsse. Immer arbeiten Sie über diese hinaus – doch werden Sie vielleicht einige Jahre mit Vortheil hier wirken. Man ficht anfänglich ja auch nur mit dem Rappier – und lernt damit Fertigkeit und Gewißheit auf dem ernsthafteren Degen.

An meiner sächsischen Reise auf den Sommer soll mich nichts als Krankheit und Tod hindern – und diese, mein Bester, machen wir miteinander. – Dieser Zeitpunkt verspricht mir die seligsten Augenblike. Aber sagen Sie mir doch, Lieber, was mus geschehen seyn, daß Ihre Mama mir schon auf 2 große Briefe nicht mehr geantwortet hat, da Sie doch immer in diesem Punkte mich beschämt hat. Morgen werde ich den dritten schreiben, und wenn dieser das nämliche Schiksal hat, so weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. Briefe können nicht wohl liegen bleiben – ich mus eine Krankheit anklagen, da keine erkältete Freundschaft stattfinden kann. – Über diesen Punkt, liebster Freund, beruhigen Sie mich doch bald. Sie können Ihre Mutter vielleicht feuriger lieben – vielleicht auch nicht, aber mehr Ursache als ich, können Sie nicht dazu haben.

Die vorige Woche hat man hier auf das Prächtigste meinen Fiesco gegeben, und diesen Carneval über wird er noch zweimal wiederhohlt. Wirklich drukt man an meiner Louise Millerin, welche in höchstens 4 Wochen zu haben seyn wird. Ich bin jezt Mitglied der kürfürstl. Teutschen Gelehrtengesellschaft, und also mit Leib und Seele Kurpfälzischer Unterhan. – Diese Kleinigkeiten interessierten Sie vielleicht nicht weniger, als mich, mein Bester, die Ihrigen.

Empfehlen Sie mich meinen Freunden in der Academie, Professor Abel, Baz, Lempp, dem ich nächstens schreibe, und allen übrigen, die mich nicht ganz vergessen haben.

Ewig der Ihrige

Schiller.