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Schiller an Wilhelm v. Wolzogen, 8. März 1790

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Jena, 8. März [Montag] 1790.

Du hättest auf Deinen letzten Brief früher Antwort erhalten sollen, aber die Ursache der Verzögerung erfuhrst Du aus Lottchens Brief, und diese wird mich bei Dir entschuldigen. Die Zerstreuungen meiner Heirath und die, welche ihr vorhergingen, ließen mich meiner Freunde nicht mit der nöthigen Unbefangenheit und Muße gedenken. Wie gern hätte ich Dir noch im vorigen Jahre geschrieben und über Deine Lage mich mit Dir besprochen, aber Du gabst uns so ungewisse Adressen, und da einer unserer Briefe nicht in Deine Hände kam, so wurde ich unsicher wegen aller übrigen. Dank Dir, Lieber, für die Nachrichten, die Du uns endlich von Dir giebst, ob ich gleich gestehe, daß ich freudigere gewünscht und erwartet hatte. Es bekümmert mich, daß Du den Muth für Deine Lage zu verlieren scheinst, und daß Du an Erreichung Deines Zweckes zweifelst. Ich hoffe aber noch immer, es war mehr eine vorübergehende düstere Stimmung Deines Gemüths, als das Resultat Deiner Bemerkungen über Dich selbst, was Du uns in Deinem letzten Briefe meldetest. Vielleicht waren Deine Erwartungen von dem Nutzen, den Dir der Aufenthalt in Paris verschaffen würde, größer, als sie überhaupt erfüllt werden konnten, aber dann würde ich Dir doch immer rathen, das mitzunehmen, was mitzunehmen ist, wenn es auch beiweitem nicht Deinen Erwartungen gleichkommen sollte – und wenn die ganze erste Hälfte Deines Aufenthalts verloren gewesen wäre, doch die zweite so viel möglich zu benützen. Es wäre mir leid, wenn Du Deinen Plan aufgäbst, blos die Standhaftigkeit und Beharrlichkeit besiegt Hindernisse und macht uns zu dem, was aus uns werden kann. Glaube mir, liebster Freund, in diesem Punkt, worüber ich nicht ganz ohne Erfahrung spreche. Wankst Du über Deinen ersten überlegten Lebensplan, so läufst Du Gefahr, über alle übrigen unbestimmt zu bleiben. Neigung und Fähigkeit haben Dich einmal zu Deinem jetzigen Entwurf und Fach bestimmt, und Du gelangst gewiß zum Ziele, wenn Du von den ersten Schwierigkeiten Dich nicht zurückschrecken läßest.

Ich erwarte mit Ungeduld, was Du mir über Deinen neuen Plan zu schreiben versprachst, und wär er von der Art, daß ich Dir dabei etwas nützen könnte, so wäre Dir alles, was in meiner Gewalt steht, mit tausend Freuden angeboten. Nur wünschte ich und Caroline nicht, daß Du mit dem Herzog von W. einen raschen Schritt thätest. Anderweitige Plane werden dir nicht entgehen, auch wenn Du sie in Würtembergischen Diensten ruhig heranreifen läßest. Im Gegenteil kannst du überall leichter Dienste finden, wenn man weiß, daß Du sie allenfalls auch entbehren könntest. Ohne eines andern Etablissement fest versichert zu seyn, würde ich den Schwabenkönig nicht aufgeben. Soviel vorläufig; da ich Deine Plane noch nicht weiß, so wirst du dem Freunde seinen Rath nicht übelnehmen.

Du schreibst mit einem Handel, den Du mit Bertuch abschließen willst, aber nicht worüber? Meintest Du Modenartikel oder politische Nachrichten? Beide sind uns willkommen, aber über 10 Thaler wird nicht für den Bogen bezahlt. Für politische Artikel kann ich selbst, wenn Du willst, in der Thalia einen Platz finden, und Dir eben das, was ich für den Bogen erhalte, nehmlich 10 Thaler bezahlen. Das nehmliche giebt auch mein Buchhändler Göschen für Aufsätze im Neuen Deutschen Museum, so daß Du für das Journal des Modes, für das Museum und meine Thalia arbeiten kannst, wenn Du Zeit und Lust hast. Die Aufsätze durchlaufe ich, wenn Du es so willst, noch einmal im Manuskripte. Könntest Du 3 bis 4 Bogen alle Monate schicken, so will ich in diesen drei Journalen Platz dazu finden und es macht ein einem halben Jahre doch schon gegen dritthalb 100 Thaler. Kannst du mir etwa auch Pariser Broschüren, die in Deutschland noch Novitäten sind, gleich nach ihrer Erscheinung zuschicken, so will ich sie hier übersetzen lassen, und Du sollst von jeder Vortheile haben. Schreibe mir ja recht bald Deine ganze Meinung hierüber.

Ich halte nicht viel von Schulzens Pünktlichkeit, sonst hätte ich ihm Aufträge an Dich mitgegeben. Er ist ein leichter Passagier, und beweist es nach seiner Zurückkunft aus Paris immer mehr. Indessen weiß er seine Bemerkungen gut zu Geld zu machen, und die Buchhändler reißen sich um seine Broschüren, die er über die Pariser Unruhen herausgiebt.

Ich hoffe, theurer Freund, Du wirst Dich meiner Verbindung mit Lottchen Lengefeld erfreuen, sie nähert auch uns beide einander mehr, wenn es zwischen uns eines neuen Bandes bedürfte. Caroline ist gegenwärtig auch bei mir in Jena (Du weißt doch, daß ich hier Professor bin) und mein Leben ist beneidenswerth zwischen diesen beiden. Am 22. Februar war unsere Hochzeit.

Ich freue mich schon im voraus der Zeit, wo Du Zeuge meines Glücks seyn, und durch Deine Freundschaft es mir erhöhen wirst. Warum können wir nicht miteinander leben? Warum müssen uns fatale Verhältnisse in der Welt herumstreuen? Hin und her habe ich schon gedacht, ob nicht hier oder in Weimar ein Platz für Dich offen wäre, aber noch seh ich keinen. Indessen hoffe auch ich hier nicht zu sterben, und dann vereinigt uns vielleicht das Schicksal an einem Orte, den wir beide noch nicht wissen.

Schreibe uns ja recht bald, liebster Freund. Wir denken Deiner oft, und unsere Seele ist bei Dir mit herzlicher Freundschaft. Meine hiesige Lage gefällt mir nicht übel; die Besoldung ist zwar klein, und in den ersten Jahren kann ich durch Collegienlesen nicht sehr viel erwerben, auch bleibt mir für schriftstellerische Arbeiten wenig Zeit übrig. Aber in zwei Jahren ist mir das Fach, worüber ich lese, geläufig, es kostet mir weniger Zeit und Mühe und trägt mir mehr ein. Ich stehe alsdann gut und vielleicht öffnen sich mir dann auch anderswo vortheilhaftere Aussichten. Lebe wohl, liebster Freund. Ich umarme Dich mit unveränderter herzlicher Freundschaft. Ewig der Deinige

Schiller.