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Schiller an August von Kotzebue, 16. November 1798

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Jena 16. Nov. [Freitag] 98.

Ihre gütige Zuschrift vom 3ten d. M. habe ich gestern erhalten und versäume keinen Augenblick, Ihnen wegen meines Stückes die verlangte Auskunft zu geben.

Es besteht eigentlich aus drei Stücken, einem Vorspiel in Einem Akte, worinn die Wallenst. Armee charakterisiret und ein Gemählde des Zeitmoments entworfen ist und aus zwey andern Schauspielen, jedes in 5 Akten geschrieben. Das Vorspiel welches Wallensteins Lager heißt und das zweite Stück: Die Piccolomini sind für Eine Abendrepraesentation und das dritte, eigentliche Stück: Wallensteins Abfall und Tod für die andere berechnet. Indeß könnten alle drei Stücke, wenn die Convenienz eines besondern Theaters es erfoderte, in ein einziges großes, 4 Stunden lang spielendes Stück zusammengezogen werden.

Mit größtem Vergnügen würde ich bereit seyn, Ihnen das Stück, unter den angebotnen Bedingungen zu überlaßen, es kommt aber hier fürs erste auf die Beantwortung der Frage an: „ob man in Wien überhaupt nur erlauben wird, Wallensteins Geschichte auf die Bühne zu bringen?“ Denn was die Ausführung dieses Stoffes selbst betrift, so verstünde es sich von selbst, daß ich alles und jedes, was der Censur nur irgend anstößig darinn seyn möchte, sorgfältig ausmerzte.

Ihnen als einem Dramatischen Meister und meinem Collegen auf dieser Bahn brauche ich nicht zu sagen, daß bei einem Stoff wie dieser, die Gründe pro und contra in Anregung gebracht werden mußten, und obgleich schon das poetische Interesse es mit sich brachte, das criminelle in Wallensteins Handeln mit den lebhaftesten Farben abzuschildern und Abscheu dagegen zu erwecken, doch natürlicherweise die Gesinnung, die ihn dazu bewogen, und die Gründe die sein Betragen menschlich motivieren obgleich keineswegs entschuldigen, ins Licht gesetzt werden mußten. Ich kann mich was diesen Punkt betrift dem Urtheil des strengsten politischen Richters unterwerfen, ja es würde mir sogar lieb seyn, wenn die Wiener Censur, überzeugt von meinen Grundsätzen, das Mscrpt darnach beurtheilen wollte. Und wäre mir zufällig auch etwas entwischt, was auf der Bühne misdeutet werden könnte, so würde ich mich ohne alles Bedenken der nöthigen Auslassung unterwerfen, so wie ich Ihnen überhaupt plein pouvoir gebe, die nothwendigen Veränderungen in dem Stück, ohne weitere Rückfrage mit mir, zu treffen.

Ich erwarte daher, ehe ich das Stück für das Theater in Wien in Ordnung bringe und eine vergebliche Mühe riskiere, Ihre gefällige Erklärung darüber, ob die Censur in Wien die Vorstellung des Wallensteins, aus historischpolitischen Gründen, überhaupt gestatten wird; denn die Gründe dagegen, die von der Bearbeitung könnten hergenommen werden, hoffe ich alle entweder selbst wegzuräumen, oder ich könnte mich darüber auf Ihre Sorgfalt verlassen. Drey Wochen nach erhaltener Antwort von Ihnen könnte ich alsdann das Stück an Sie absenden. Empfangen Sie die Versicherung meiner aufrichtigen Hochachtung, die ich Ihren Verdiensten schuldig bin, und hier mit Vergnügen an den Tag lege.

Schiller.