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Schiller an Benjamin Erhard, 26. Oktober 1794

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Jena den 26. 8br. [Sonntag] 94.

Mit der Nachricht, daß Sie in Nürnberg zu bleiben entschloßen sind, haben Sie mir, mein lieber und theurer Freund, eine recht große Freude gemacht, und eine nicht geringere durch die vielen Winke, die Sie mir von Ihrer Activität gegeben haben. Auf die Ausführung Ihrer Ideen bin ich äuserst begierig, und das wenige, was Sie mir davon schrieben, spannt meine Erwartung sehr.

Die Ableitung des Eigentumsrechts ist jetzt ein Punkt, der sehr viele denkende Köpfe beschäftigt, und von Kanten selbst höre ich, sollen wir in seiner Metaphysik der Sitten etwas darüber zu erwarten haben. Zugleich höre ich aber, daß er mit seinen Ideen darüber nicht mehr recht zufrieden sey, und deßwegen die Herausgabe vor der Hand unterlassen habe.

Gegen Ihre Postulation der Gottheit bey Ableitung des Rechts der ersten possession habe ich dieses einzuwenden, daß Sie einen Zirkel begehen, und die Gottheit bloß darum herbeyrufen müssen, weil sie sie schon vorausgesetzt haben. Sie sagen: was berechtigt mich eine rem nullius zu der meinigen zu machen? Ich frage, was hindert Sie daran? Wie können Sie überhaupt hier nach einem Rechte fragen, wenn sie nicht schon vorausgesetzt haben, daß Gott der Eigenthümer und gleichsam der Lehensherr des Bodens ist, den Sie sich zueignen wollen? Recht ist ein Begriff, der nur auf der Verhälntiß eines moralischen Wesens zum andern anwendbar ist, und um also bey einer res nullius an ein Recht zu denken, müssen sie schon eine Gottheit gesetzt haben.

Fichte scheint hier in Jena bald einen harten Stand zu bekommen. Er hat einen alten guten Freund von Leipzig her, Weisshuhn, hieher nach Jena zu ziehen veranlaßt, der ein sehr philosophischer Kopf seyn soll. Dieser Weißhuhn ist aber sehr hart hinter dem Fichtischen System her, erklärt es rund heraus für einen subjectiven Spinocism, und wird dagegen schreiben, Ich selbst habe ihn noch nicht kennen lernen, aber alle Urtheile stimmen überein, daß er einen entschiedenen Beruf zum philosophieren habe.

Ich bin gegenwärtig noch sehr mit der Analytik des Schönen und einer Art von Elementarphilosophie für die schönen Künste beschäftigt, welche den Hauptgegenstand meiner Beyträge zu den Horen ausmachen wird. Zugleich hat sich zwischen mir und Göthen eine wissenschaftliche Correspondenz darüber angefangen, welche die Sache ziemlich in Bewegung bringt, und wovon wir auch einmal in den Horen Gebrauch machen werden.

Im ersten Stücke dieses Journals werden Sie einen Aufsatz von mir über die aesthetische Erziehung des Menschen finden, wo neben verschiedenen kleinen Ausfällen auf die Herren Politiker (auf der PhilosophenBank) auch einiges ist, was ich meinem Freund Erhard ans Herz lege.

Auf Ihre Ideen über Plato freue ich mich. Können Sie sie auf eine schickliche Art in mehrere kleine Aufsätze theilen, so ist es mir lieber, als wenn sie einen einzigen unter dem nehmlichen Titel ausmachen. Ihren Freund Grundherr bin ich sehr neugierig näher kennen zu lernen.

Meine Schwägerin ist nicht mehr hier, sondern in Stuttgardt, und zwar verheiratet mit dem wirt. Leg. Rath von Wolzogen. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und Ihrer Frau bestens.

Ihr Sch.