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Schiller an Friedrich Schröder, 12. Oktober 1786

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Dresden den 12. 8br Sonntag 86.

Aus einem Briefe, den ich heute von meinem Freund Beck1 erhalten, erfahre ich daß er mir in Ausführung eines Wunsches zuvorgekommen ist, mit dem ich mich schon so lange getragen habe. Lange schon, ich gestehe es Ihnen, habe ich mir die angenehmste Hoffnungen in der Verbindung mit einem Manne gebildet der im ganzen Deutschland der einzige ist alle meine Ideale über die Kunst zu erfüllen.

Ihnen zwar kann an der Achtung und Bewunderung eines einzelnen Mannes wenig gelegen seyn, der nur wiederhohlt was die vereinigte Stimme des deutschen Publikums schon entschieden hat, aber mir ist es wichtig es Ihnen zu bekennen, und von Ihrem Geiste, Ihrem Enthousiasmus und Ihrer Größe etwas für meine kleine Arbeiten zu entlehnen. Ob ich gleich nie so glüklich war Ihre Kunst vor dem Schauplaze bewundern zu können, so habe ich doch Gelegenheit gehabt den Meister aus seinen Schülern, das Original aus den Copieen zu schäzzen und wenn ich auch ganz darauf resigniren müßte, so leben Sie mir in Ihren Werken. Als ein Mitläuffer auf der dramatischen Bahn habe ich mir wenigstens eine kleine Stimme erworben, die Schwierigkeiten zu übersehen und das Verdienst zu erkennen.

Aber mein Verlangen nach Ihrer Bekanntschaft ist sehr eigennüzig. Ich habe bis jezt Foderungen an die Schaubühne gemacht, die noch keines von allen Theatern die ich kenne, befriedigte. In Mannheim habe ich vollends, aus Ursachen, die hier zu weitläuftig wären, beinahe allen Enthousiasmus für das Drama verloren. Jezt fängt er wieder an in mir aufzuleben, aber mir graut vor der schreklichen Mishandlung auf unsern Bühnen. Mit ungeduldiger Sehnsucht habe ich bisher nach derjenigen Bühne geschmachtet, wo ich meine Phantasie einige Kühnheiten erlauben darf u. den freien Flug meiner Empfindung nicht so erstaunlich gehemmt sehen muß. Ich kenne nunmehr die Gränzen recht gut welche bretterne Wände und alle nothwendigen Umstände des Theatergesezes dem Dichter verschreiben, aber es giebt engere Gränzen, die sich der kleine Geist und der dürftige Künstler sezt, das Genie des großen Schauspielers u. Denkers aber überspringt. Von diesen Gränzen wünschte ich frei gesprochen zu werden u. darum ist der Gedanke mir so willkommen, durch eine genauere Verbindung mit Ihnen ein Ideal zu realisieren, das ich ohne Sie ganz verloren geben muss. Wen ich mir schmeicheln kann, daß Sie mir hiezu die Hände bieten wollen, so sollen alle meine Stücke für Ihre Bühne bestimmt seyn u. ich werde sie unter dieser Aussicht mit um so größerer Begeisterung schreiben. Mein D. Carlos der zu Ende dieses Jahres fertig wird ist einer theatralischen Ausführung fähig u. ich bin gegenwärtig schon beschäftigt ihm diese Gestalt zu geben. Bek schreibt mir, daß die Fragmente Sie einigemaßen interessierten – daraus erlaube ich mir zu schließen, daß die Fortsetzung dieses Stüks Ihnen vielleicht (von Seiten der Darstellung u. des theatralischen Interesse) noch willkomener seyn werde. Wenn Sie glauben, daß der Carlos ihrer Bühne anstehen könnte, so bitte ich mir einige Nachricht deßwegen aus. Unendlich erwünscht würde es mir sein, wenn ich auf diese Art meinen kühnen Entwurf damit ausführen könnte.

Ein anderes Stük, das ich schon Jahre lang im Kopfe getragen wird zu Anfang des nächsten Jahres fertig seyn. Es heißt: der Menschenfeind, hat aber mit dem Shakespearschen Timon keinen Berührungspunkt als den Namen. Ein neuer Karakter tritt hier auf, den nur derjenige Künstler darstellen wird der den Lear u. den Hamlet in Deutschland erschaffen hat. Sie hören aus dieser selbstgefälligen Sprache den Vater, der auf sein Kind eitel ist, aber verziehen soll er es wenigstens nicht. Wenn Sie wünschen solten eine Idee von diesem Stükke zu haben, so werde ich Ihnen den ersten Akt davon schikken können, welcher in Ordnung gebracht ist.

Ich finde, dass ich hier einige Seiten voll geschrieben habe, ohne zu wissen ob Sie auch Lust haben werden sich darauf einzulassen. Ich umfasse diese Idee mit so vieler Wärme, daß ich sie schon als berichtigt vorausseze.

Wenn Sie die Güte haben mir von Ihrem Entschluße Nachricht zu geben, so ersuche ich Sie zugleich, nur mit wenigen Worten mich mit den unentbehrlichsten Mitgliedern Ihrer Bühne bekannt zu machen, weil ich mich in einigen wichtigen Dingen nach diesem Locale zu richten habe.

Ich empfehle mich Ihrem Andenken und nenne mich mit der vollkommensten Hochachtung

Ihren ergebensten

F. Schiller.

Meine Adresse ist – – Dresden Neustatt auf dem Kohlenmarkt im Fleischmännischen Hause.

Weil ich von Bek keine Adresse empfangen habe, so bin ich so frei diesen Brief an Sie einzuschließen.