HomeBriefesonstige BriefeSchiller an Friedrich Schröder, 4. Juni 1787

Schiller an Friedrich Schröder, 4. Juni 1787

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Dresden, d. 4. Juliy [Mittwoch] 87.

Ihren letzten Brief habe ich mit dem Einschluß von 21 Louis empfangen und bezeuge Ihnen hier meinen ergebensten Dank für dieses Zeichen Ihrer Zufriedenheit mit meinem Stücke und für diese freundschaftliche Beschleunigung, die mich nun in den Stand setzt, meine Reise ungestört anzutreten. Auch in H. Hubers Nahmen danke ich Ihnen, der sich für eine Uebersetzung, für eine Arbeit von 14 Tagen, vollkommen befriedigt sieht. Was ich jezt wünsche, bester Schröder, ist, daß auch Sie Ursache haben möchten, das Opfer das Sie Ihrem Gefühle gebracht haben, als Kaufmann nie zu bereuen.

Daß Sie den Großinquisitor weglassen müssen, bedaure ich sehr. In ihrem Falle (gesetzt daß Sie ihn bei der Censur durchbringen) würde ich es auch mit einem nur leidlichen Schauspieler wagen. Meine Gründe sind: Der Großinquisitor darf fast gar keine Mimik haben, seine ganze Sache ist Declamation, deutliche starke Vorlegung des Textes. Was kann Ihr Geist nicht über mittelmäßiges Talent vermögen! Stutzen Sie ihn auf. Wenn er nichts thut, als verständlich sprechen, so haben Sie Sich eine interessante Scene gerettet. Wählen Sie sich aus Ihrer Gesellschaft einen Schauspieler, der noch nie von sich sprechen gemacht hatt, den das Publikum biß jetzt ignorirt hat. Bringen Sie mir, Sich und dem Vergnügen des Publikums das Opfer, einige Stunden mit ihm zu verlieren. Es kann nicht fehlen, er wird durch die Wichtigkeit der Sache sich selbst erheben. Ueberlegen Sie meine Bitte, und (ist sie Ihnen nicht schlechterdings unerfüllbar) so bieten Sie die Hand zu ihrer Vollstreckung.

Die Auskunft mit dem Geiste halte ich nicht für so ganz anstößig. Der abentheuerliche spanische Muth, der Geist der Liebesintrigue und noch mehr die anschauliche dringende Noth entschuldigen ihn, machen ihn begreiflich. Doch reißt vielleicht die Heftigkeit der Erwartung den Zuschauer über gewisse Scrupel hinweg und wir können Carlos mit der Königin zusammen kommen lassen, ohne ihm die gebrauchten Mittel sehen zu lassen. Dann könnte also die ganze Erfindung mit dem Gespenste weggelassen werden. Lerma erschiene sogleich nach Endigung der heftigen Scene mit dem Könige – oder Sie lassen den Vorhang mit Albas letzten Worten fallen: „Ich gebe Madrid den Frieden“ – und ziehen ihn mit der Scene auf, wo er mit Feria zurückkommt. Schade aber für Lermas letzte Scene mit Carlos. Sie wird sehr rühren, wenn Sie einen guten Lerma haben. – Ich schließe mit einer Bemerkung, die ich in den Gesetzen unserer Seele gegründet und durch die Erfahrung bestätigt finde. Stücke, worin große heftige Affekte spielen, endigen sich schöner – ruhig und stille als rasch und reißend.

Ich werde nun gerade nach Weimar gehen, wo ich einige Monate zuzubringen gedenke. Um die L. Michaelsmesse, vielleicht noch vorher, sehen Sie mich in Hamburg. Mit einem meiner Stücke müssen Sie’s nun aufs Ohngefähr wagen. Haben wir uns gesehen, hab ich mich in Ihrer Bühne erst orientiert, so kann vieles anders werden. –

Ein Brief von Ihnen an mich ist verloren gegangen, denn auf die Uebersendung der offenen Fehde habe ich keine Antwort von Ihnen erhalten. Mich wundert dieses sehr, denn der Fall ist mir selten begegnet. Ich kann ihn mir durch nichts erklären als allenfalls dadurch, daß Sie unterlassen hätten – Dresden – Neustatt auf die Addresse zu setzen, weil für Neustatt und Altstatt besondere Bureaux sind. Ihren nächsten Brief bitte ich nach Weimar zu addressieren. Noch eine kleine Bitte, lieber Schröder – der gedruckte Carlos wird nächstens in Hamburg seyn, bieten Sie die Hand zu seiner schnellen Circulation. Ich zweifle nicht, daß die Lecture des Stücks die Erwartung auf die Vorstellung spannen wird.

Ganz der ihrige

Schiller.