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Schiller an Friedrich Zelter, 16. Januar 1804

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Weimar 16. Jan. [Montag] 1804.

Der Ueberbringer dieses Herr Secretair Wengk aus Gotha, ein Harmonicaspieler bittet mich, ihm an Sie ein Empfehlungsschreiben zu geben, damit Sie ihn bei seinem Aufenthalt in B. in Ihren musikalischen Zirkel einführen möchten und ich ergreife diese Gelegenheit, Ihnen mein werthester Freund, ein Lebenszeichen von mir zu geben. Ihr Andenken ist noch frisch unter uns und kann auch nie auslöschen, da so viele Spuren Ihres Geistes uns umgeben, denn Ihre Melodien freuen uns immer neu.

Ich habe in dem Wilhelm Tell, der mich jetzt beschäftigt und in sechs Wochen fertig seyn wird verschiedene Lieder, besonders aber am Anfang des Stücks einen Kuhreihen nöthig, den ich von niemand lieber als von Ihnen componirt wünschte. Da ich die Theaterverhältnisse in Berlin nicht kenne, so weiß ich nicht, ob es nicht gewisse Leute für einen Eingriff in ihre Rechte halten würden, wenn man zu einem andern mehr Vertrauen hätte. Deßwegen wünschte ich nur einen Wink von Ihnen und schickte ihnen dann die Texte zu. Auch können Sie zur Zeit wenn Sie diesen Brief erhalten, die ersten Akte meines Stücks schon bei Iffland sehen.

Wie es aber auch mit Berlin seyn mag, so würden Ihre Compositionen uns hier in Weimar höchst willkommen seyn, denn niemand wird besser als Sie den Charakter davon treffen. –

Gern möchte ich mich in diesen Monaten zu Ihnen nach Berlin versetzen. Hier leben wir in einem wahren Mangel alles Kunstgenusses. Goethe befindet sich seit mehreren Wochen unpaß, Herder hat uns gar verlassen, und manche andere traurige Umstände haben sich vereinigt uns diesen Winter zu verkümmern.

Mögen Sie dafür in der Fülle der Thätigkeit und des Genusses leben und wirken.

Alle Freunde grüßen Sie von Herzen.

Ganz der Ihrige

Schiller.