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Schiller an Jens Baggesen, 9. Januar 1792

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Jena den 9. Jänner [Montag] 1792.

Ich rechne darauf, mein theurer Freund, daß Sie meine zwei Briefe nunmehr werden erhalten haben, und bediene mich, wie Sie sehen, schon in vollem Maße der Freiheit, welche ich mir darin erbat, unsern Briefwechsel fortzusetzen. Diesmal aber entschuldigt mich die Nothwendigkeit, Ihnen ungesäumt von einem Vorfalle Nachricht zu geben, der mich unangenehm genug überrascht hat. Ich erfuhr nämlich, daß in der Frankfurter Zeitung des Geschenkes erwähnt worden sei, das mir Pr. Fr. Chr. und Graf Sch. angeboten haben, und wahrscheinlich bin ich es allein, der, obgleich unschuldig, dazu beigetragen hat. Es war unmöglich, einen mir so wichtigen Umstand gewissen Verwandten und Freunden, am wenigsten aber dem Herzog von Weimar geheim zu halten, dem ich in jeder Rücksicht die Entdeckung schuldig war. Einem von diesen muß ein Wort in Gesellschaft darüber entfallen seyn, und nichts geht über die Neuigkeitsbegierde und Indiscretion der Zeitungsschreiber und ihrer Correspondenten. Der lebhafte Antheil meiner Freunde an meinem Glücke, und die so natürliche Bewunderung, welche Handlungen dieser Art jedem fühlenden Herzen abnöthigen müssen, ließ sie nicht vorsichtig genug mit diesem Geheimniß umgehen, und so, vermuthe ich, kam es vor ungeweihte Ohren. Es aber auch meine ersten und nächsten Freunden zu verbergen – nein, das war unmöglich, das wäre eine zu harte Bedingung gewesen. So viel aber getraue ich mir zu verbürgen, daß keiner, dem ich selbst es vertraute, fähig war, es auf eine so gemeine Art zu profaniren. Also ist blos der Zufall und der Fürwitz irgend eines Horchers deswegen anzuklagen.

Zum Glücke wird in der Zeitungsnachricht blos allein des angebotenen Geschenkes erwähnt, und dies beruhigt mich doch in etwas, daß gerade dasjenige, was gerade am wenigsten gesagt werden dürfte, ignorirt wird. Nun bitte ich Sie aber und beschwöre Sie, theurer Freund, machen Sie mir Graf Sch. wieder gut; sagen Sie zu meiner Entschuldigung, was Ihr Herz Ihnen vielleicht selbst schon gesagt hat. Bieten Sie alle Ihre Beredsamkeit auf; die Unmöglichkeit, die Entdeckung ganz zu verhüten, gibt mir einigen Anspruch auf Nachsicht und Verzeihung. So sehr die Bescheidenheit des Prinzen Fr. Chr. und des Grafen Sch. dadurch beleidigt werden muß, wie ich sehr gut fühle, so hoffe ich doch, daß diese zufällige Bekanntwerdung ihrer still handelnden Großmuth Beiden im Grunde eben so gleichgültig seyn kann, als eine ewige Verborgenheit derselben. So wenig auch die Werke des Herzens für die öffentliche Ausstellung gemacht sind, so wenig brauchen sie sich davor zu fürchten, wenn das Ohngefähr sie ans Licht reißt. Doch was suche ich das Geschehene zu mildern? Ihnen übertrage ichs, theurer Freund, und bitte Sie angelegentlich und dringend, mich bald möglichst, wenn auch nur in zwei Worten, über den Eindruck zu beruhigen, den dieser fatale Vorfall auf meine großmüthigen Freunde gemacht hat. Bis dahin bin ich bekümmert, und sehe mit ängstlicher Ungeduld Ihrem Briefe entgegen.

Der Herzog von Weimar hat an meinem Glück einen Antheil genommen, der seinem Herzen Ehre macht. Er erlaubt mir, sobald meine Gesundheit und die Jahreszeit es gestatten, auf eine Zeit lang von hier abwesend zu seyn, und die Reise nach Dänemark anzutreten. So kann ich also getrost meiner Neigung folgen, ohne irgend eine Pflicht dabei zu verletzen, und Dies, ich gestehe es Ihnen, macht die Freude vollkommen, die mit der Blick in die Zukunft gewährt.

Meine Gesundheit hat sich seitdem nicht verschlimmert, und dies ist in dieser Jahreszeit und bei dieser Witterung schon ein sehr glücklicher Umstand. Mein Gemüth ist heiter, und der Kopf kann Beschäftigung ertragen. Kants und Reinholds Philosophie gibt mir diese in vollem Maß. – und in glücklichen Momenten besucht mich auch eine dichterische Begeisterung. Ich lege Ihnen hier die eben erst aus der Presse kommenden Bogen der Thalia bei, um mich Ihnen und Ihren Freunden auf einige Stunden dadurch zu vergegenwärtigen. Die Stanzen und der dritte Aufsatz sind von meiner Hand; finden Sie eins von beiden werth, unsern Prinzen und Graf Sch. zu beschäftigen, so lassen Sie es zu einem Sühnopfer dienen.

Sie lesen in meiner Seele, was ich Ihnen jetzt noch aufzutragen wünsche – eh ich der Verzeihung versichert bin, habe ich den Muth nicht, mein Herz gegen unsere edlen Freunde reden zu lassen.

Ihrer liebenswürdigen Sophie dieses Blatt von meiner Frau und meine herzlichsten Empfehlungen. Ganz der Ihrige

S.