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Schiller an Johann Erhard, 8. September 1794

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Jena, den 8. Sept. [Montag] 94.

Ich kann den Professor Paulus nicht durch Nürnberg reisen lassen, ohne Sie, mein theurer Freund, mit ein paar Zeilen zu begrüßen. Man sagte mir kürzlich, daß Sie noch da wären, und ich wünsche es von Herzen, weil die gegenwärtigen Aspecten im Oesterreichischen nicht sehr günstig sind. ich fürchte selbst für Herbert, denn ein Mensch wie er muß den Freunden der Finsterniß natürlicher weise ein Dorn im Auge seyn.

In unserm Musensitze ist alles ruhig, und Fichte ist noch in voller Arbeit, seine Elementarphilosophie zu vollenden. Ich bin überzeugt, daß es nur bey ihm stehen wird, in der Philosophie eine Gesetzgebende Rolle zu spielen, und sie um einen ziemlich großen Schritt vorwärts zu bringen. Aber der Weg geht an einem Abgrund hin, und alle Wachsamkeit wird nötig seyn, nicht in diesen zu stürzen. Die reinste Speculation gränzt so nahe an eine leere Speculation, und der Scharfsinn an Spitzfindigkeit. Was ich biß jetzt von seinem System begreife, hat meinen ganzen Beyfall, aber noch ist mir sehr vieles dunkel, und es geht nicht bloß mir, sondern jedem so, den ich darüber frage.

In einem Publicum, das Fichte zu gleicher Zeit ließt, hat er sehr herrliche Ideen ausgestreut, die eine Anwendung seiner höchsten Grundsätze auf die Menschen in der Gesellschaft enthalten.

Das Journal, von dem ich Ihnen schon geschrieben habe, kommt nun ganz gewiß zu Stande, und schon sind, außer Fichte, noch Garve, Engel, Göthe, Herder, Jacobi und mehrere andere als Mitarbeiter beygetreten. Das Honorar ist 4 Ldors. Aber alle politische und Religion betreffende Aufsätze sind durch unsere Statuten ausgeschlossen. Ich hoffe, mein lieber Freund, bald einmal etwas von Ihnen zu erhalten. Nur richten Sie es so ein, daß es für ein Publikum paßt, welches wenig scientifische Kenntnisse mitbringt, und nichts als einen natürlichen Verstand und einen guten Geschmack besitzt.

Mit meiner Gesundheit geht es weder besser noch schlechter, aber an Thätigkeit fehlt es mir nicht, und der Geist ist heiter. Meine Frau und Schwägerin sagen Ihnen einen freundschaftlichen Gruß. Von ganzem Herzen der Ihrige.

Schiller.