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Schiller an Johann Frankh, 21. August 1802

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Weimar 21. Aug. [Sonnabend] 1802.

Verzeihung, mein liebster Schwager und Schwester für mein langes Stillschweigen. Die Hauptursach war ein böslichter Krampfhusten, der mich, mit den Kindern, über 6 Wochen geplagt und elend gemacht hat. Seitdem ich mich wieder davon erhohlt habe, habe ich alle Hände voll zu thun gehabt, um die dringendsten Sachen, die versäumt worden waren, abzuthun.

Meine Instruktion wegen der Erbschaftsangelegenheit hat Herr Cotta und wird dieses Geschäft besorgen, ohne den lieben Schwager oder seine Verwandten damit zu belästigen.

Wir sehnen uns nach erfreulichen Nachrichten von dem Befinden der lieben Louise, und wünschen von Herzen, daß die bevorstehende Epoche glücklich vorüber gehen möge. Was ich aber der lieben Schwester dringend empfehle ist dieß, sich in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung, wenn diese auch recht gut abgelaufen, aufs sorgfältigste in Acht zu nehmen, denn das Beyspiel meiner guten Lotte u. verschiedene andre aus unserer Nachbarschaft haben mich gelehrt, daß dieß die gefährlichste Zeit ist, wenn man sich zuviel zutraut.

Ich danke dem lieben Schwager aufs beste, daß er mir aus dem Nachlaß der verewigten Mutter ihren Ring bestimmt hat. Es ist das wertheste, was er für mich hätte auswählen können, und es soll mir ein heiliges Vermächtniß seyn.

Die Veränderungen in unserem neuerkauften Hauße, welche beträchtlich waren, haben uns indessen viele Unruhe und Geräusch gemacht, erst in dieser Woche wird es von Arbeitsleuten leer und wir genießen nun erst die Annehmkeiten einer bequemen und gesunden Wohnung. Aber es war ein unglücklicher Tag, als wir sie zum erstenmal bezogen, denn es war der Sterbetag meiner theuren Mutter. Ich bin nicht wenig erschrocken, als ich dießes aus dem Brief des lieben Schwagers ersah, und es ist immer eine sonderbar traurige Verkettung des Schicksals.

Lotte wird das Taufzeug mit nächster Post absenden und grüßt die liebe Schwester wie auch den würdigen Schwager aufs beste.

Mit unveränderlicher Liebe umarme ich die gute Louise und den lieben Schwager und bin von ganzem Herzen

der Ihrige

Schiller.