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Schiller an Luise Frankh, 27. März 1805

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Weimar 27. März [Sonntag] 1805.

Ja, wohl ist es eine lange Zeit, gute liebe Louise, daß ich Dir nicht geschrieben habe, aber nicht für Zerstreuungen habe ich Dich vergessen, sondern weil ich in dieser Zeit so viel harte Krankheiten ausgestanden, die mich ganz aus meiner Ordnung gebracht haben. Viele Monate hatte ich allen Muth, alle Heiterkeit verloren, allen Glauben an meine Genesung aufgegeben. In einer solchen Stimmung theilt man sich nicht gern mit, und nachher, da ich mich wieder besser fühlte, befand ich mich meines langen Stillschweigens wegen in Verlegenheit, und so wurde es immer aufgeschoben. Aber nun, da ich durch Deine schwesterliche Liebe wieder aufgemuntert worden, knüpfe ich mit Freuden den Faden wieder an, und er soll, so Gott will, nicht wieder abgerissen werden. Deines lieben Mannes Versetzung nach Möckmühl, die ich vor 8 Tagen von unserer Schwester erfahren, hat uns große Freude gemacht, nicht allein deßwegen weil sie Eure Lage so viel verbessert, sondern auch darum, weil sie ein so ehrenvolles Zeugniß für das Verdienst des lieben Schwagers ist. Möchtet ihr euch recht glücklich in diesen neuen Verhältnissen fühlen und sie recht lange genießen. Auch wir sind uns dadurch um einige Meilen näher gerückt, und bei einer künftigen Reise nach Franken, die wir alle Jahr projectieren, können wir uns desto leichter zu euch hin versetzen.

Wie betrübt es mich, liebe Schwester, daß Deine Gesundheit so viel gelitten hat und daß es Dir mit Deiner Niederkunft wieder so unglücklich gegangen. Vielleicht erlauben Dir Eure jetzigen Verhältnisse diesen Sommer ein stärkendes Bad zu gebrauchen, welches Dir gewiß sehr wohl bekommen würde. Sorge ja recht für Deine Wiedergenesung, denn jetzt ist es noch Zeit, da die natürlichen Kräfte der Kunst zu Hülfe kommen können. Auch Deiner Kinder wegen wünschen wir Euch zu dem neuen Aufenthalt Glück. Auf dem Lande muß es gar schwer seyn, die Kinder für eine bessere Bestimmung zu erziehen, da es sowohl an Lehrern als an einer schicklichen Gesellschaft fehlt.

Von unserer Familie wird Dir meine Frau weitläufiger schreiben. Unsere Kinder haben diesen Winter alle die Windblattern gehabt, und die kleine Emilie hat viel dabei ausgestanden. Gottlob, jetzt steht es wieder ganz gut bei uns, und auch meine Gesundheit fangt wieder an, sich zu befestigen.

Tausendmal umarme ich Dich, liebe Schwester und auch den lieben Schwager, den ich näher zu kennen von Herzen wünschte. Küsse Deine Kinder in meinem Nahmen, möge Euch alles recht glücklich von statten gehen, und recht viel Freude zu Theil werden. Wie würden unsere lieben Aeltern sich Eures Glückes gefreut haben, und besonders die liebe Mutter, wenn sie es hätten noch erleben können.

Adieu liebe Louise. Von ganzer Seele Dein

treuer Bruder

Schiller.