HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 1. Mai 1797

Schiller an Gottfried Körner, 1. Mai 1797

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Jena, 1. Mai [Montag] 97.

Ich freue mich zu hören daß die Guitarre endlich angekommen ist. Deinen Auftrag an Otto wird meine Frau gleich besorgen.

Mein Kleiner hat sich nun ganz von den Blattern erhohlt und ist auch gar nicht sehr davon angegriffen. Das Zahnen fürchtet Stark bei der Inoculation gar nicht so, wie die andren Aerzte: bey meinem Kleinen bestand er hartnäckig auf der Inoculation, obgleich ich und meine Frau starke Einwendungen machten.

Ich bin noch immer nicht im Garten, das Regenwetter hindert, daß das neugebaute in meinem Hause noch nicht trocknet; ich sehne mich aber sehr hinaus, denn hier in der Stadt kann ich gar nichts mehr arbeiten.

Humboldt hat uns nun verlassen, und wahrscheinlich auf sehr lange Zeit. Göthe wird wohl auch am Ende des Sommers nach Italien gehen, da der Friede jetzt die Reise wieder möglich macht. Gott sei für diesen Frieden tausendmal gelobt. Er wird uns allen wohlthätig seyn.

Göthens Herrmann u Dorothea erscheint diese Michaelismesse in Calenderform bei Vieweg in Berlin. Er hat diese Form vorgezogen, theils weil man ihn noch einmal so gut dafür bezahlen kann, theils, um das Gedicht auf diese Weise recht in Umlauf zu bringen.

Zu meinem Almanach ist noch wenig zusammengetragen. Er wird aber schon nach und nach werden.

Lolo grüßt herzlich. Ich umarme euch.

Dein Sch.

Was Du neulich über H und W schriebst, war mir recht aus der Seele gesprochen. W. ist beredt und witzig, aber unter die Poeten kann man ihn kaum mit mehr Recht zählen als Voltairen und Popen. Er gehört in die löbliche Zeit, wo man die Werke des Witzes und des poetisch Genies für Synonyma hielt.

Was einen aber so oft an ihm irremacht, im Guten und Bösen, das ist seine Deutschheit bei dieser französischen Appretur. Diese Deutschheit macht ihn zuweilen zum ächten Dichter, und noch öfters zum alten Weib und Philister. Er ist ein seltsames Mittelding. Uebrigens fehlt es seinen Produkten gar nicht an herrlichen poetischen und genialischen Momenten, und sein Naturell ist mir noch immer sehr respectabel, wieviel es auch bei seiner Bildung gelitten hat.

Herder ist jetzt eine ganz pathologische Natur, und was er schreibt, kommt mir bloß vor wie ein KrankheitsStoff, den diese auswirft, ohne dadurch gesund zu werden. Was mir an ihm fatal und wirklich ekelhaft ist, das ist die feige Schlaffheit, bei einem innern Trotz und Heftigkeit. Er hat einen giftigen Neid auf alles Gute und Energische und affectiert, das Mittelmäßige zu protegiren. Göthen hat er über seinen Meister die kränkendsten Dinge gesagt. Gegen Kant und die neuesten Philosophen hat er den größten Gift auf dem Herzen; aber er wagt sich nicht recht heraus, weil er sich vor unangenehmen Wahrheiten fürchtet, und beißt nur zuweilen einem in die Waden. Es muß einen indignieren, daß eine so große außerordentliche Kraft für die gute Sache so ganz verloren geht; Schlosser giebt mir zuweilen auch eine ähnliche Empfindung.