HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 15. Oktober 1792

Schiller an Gottfried Körner, 15. Oktober 1792

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Jena den 15 October [Montag] 92.

Ich habe Dir heute vor 8 Tagen mit MeßGelegenheit geschrieben. Hoffentlich hast Du nun den Brief. Näheren Nachrichten von der unglücklichen Zerbster Mausgeburt sehe ich mit großer Ungeduld entgegen. Unterdeßen habe ich zu Realisirung Deiner schriftstellerischen Speculationen noch allerley ausgesonnen. Ohne Zweifel kennt Du Mirabeaus Schrift sur l’éducation. Wenn Du sie kennst, so hältst Du sie gewiß einer Uebersetzung werth. – Es war mir schon eine große Empfehlung für den Autor und das Buch, daß er gleichsam noch im Tumult des Gebahrens der französischen Constitution schon darauf bedacht war, ihr den Keim der ewigen Dauer durch eine zweckmäßige Einrichtung der Erziehung zu geben. Schon der Gedanke verräth einen soliden Geist und die Ausführung seiner Idee macht, so weit ich in dem Buch gelesen habe, seinem philosophischen Kopf Ehre. Wie wärs, wenn Du dich an Uebersetzung dieses Buchs machtest? Aber Du müßtest damit eilen – mit der Ankündigung wenigstens, daß kein anderer Dir zuvor kömmt. Probire es mit la Garde oder Vieweg dem Ältern oder Crusius im Leipzig. Einer von diesen dreyen nimmt es gewiß und wenn Du willst, so will auch ich an den schreiben, den Du auswählst. Ich brauche Dich bloß als Verfasser des Aufsatzes über Oxenstierna und als Mitarbeiter an Julius u. Raphael zu nennen. Auch Felseggern in Nürnberg kann ich Dir verschaffen. Schreibe mir aber gleich mit der nächsten Post, wie Du entschloßen bist. Vor allen aber, ehe wir die Hauptsache vergessen, sieh in d. 2 oder 3 letzten Messkatalogen nach, ob das Buch noch nicht übersetzt ist – woran ich jedoch sehr zweifle.

Meine zweyte Idee ist das große Journal, wovon wir schon in Dresden langes und breites gesprochen haben. Wenn das zu Stande kommt, so bist Du und ich gedeckt. Ich setze diese Woche den Plan auf, und lege ihn Göschen vor. Will er sich nicht darauf einlassen, so wende ich mich an einen andern. Es muß ein Versuch gemacht werden, die Unternehmung ist so anlockend und verspricht den besten Erfolg. Käme dieses Journal zu Stande, so wären wir beyde in unserm Element. Wir dürfen uns nicht mit Schreiben übereilen, und hätten doch beyde eine sehr beträchtliche Einnahme zu erwarten. Zwölf biß fünfzehn Bogen, vollkommen ausgearbeitet, sind für das ganze Jahr nicht viel und würden alsdann doch mit 500 Thalern bezahlt werden. Göschen hat die sonderbare Idee, die Geschichte der Reformation, die der nächste Calender enthalten soll, von Pestalozzi schreiben zu laßen. Da ich sie nicht schreiben muß, so könnte mir das einerley seyn – aber er möchte noch gern meinen Nahmen vor dem Calender haben, und bittet mich, seinen Mann in einer Vorrede förmlich einzuführen. Ich fürchte aber, Pestalozzis Gesichtspunkt ist den Meinigen schnurgerade entgegen gesetzt und unter dieser Voraussetzung werde ich ihm diesen Dienst nicht leisten können. Sonst thät ich es nicht ungern, wenn die Arbeit gut würde – denn bezahlen müßte mir Göschen auf jeden Fall diese Gefälligkeit. Ich habe ihm indessen nicht nur von Pestalozzi sondern vom ganzen Calender abgerathen. Diese Form ist jetzt schon veraltet, zu viele Nebenbuhler theilen sich mit ihm in diesen Bissen Brod, und der Geschmack des Publicums ist veränderlich. Wenn Göschen anstatt seines Calender, Militairische Journale, Andachtsbüchlein u. s. w. nichts als Wielands Schriften und unsern Merkur von Deutschland übernähme, so könnte er in 5 Jahren der respectabelste Buchhändler und ein reicher Mann werden.

In dem Neuen Göttinger Musenalmanach hat Bürger seine Galle an mir und an der litt. Zeit. recht ausgelaßen. Die Platitüden dieses Menschen, seine Anmaßungen und seine völlige Unbekanntschaft mit dem, was ihm in meiner Rec. gesagt worden ist, wird Dich in Verwunderung setzen. Freund Boutterwek der Verfasser des Donamar, hat sich über Hubern hergemacht und ihm – in eben diesem Almanach – derbe und gleich platte Sottisen gesagt. Laß Dir den Almanach doch geben.

Das Ridicule, das darinn über H. geworfen ist, von so schlechter Hand es auch kommt, kommt jetzt bei D. nicht ganz ungelegen und kann doch etwas Gutes stiften, besonders da die Forstern darein gemengt zu seyn scheint.

Ich wollte Poesie treiben, aber die nahe Ankunft der CollegienZeit zwingt mich, Aesthetik vorzunehmen. Jetzt stecke ich bis an die Ohren in Kants Urtheilskraft. Ich werde nicht ruhen, biss ich diese Materie durchdrungen habe und sie unter meinen Händen etwas geworden ist. Auch ist es nöthig, dass ich auf alle Fälle ein Collegium ganz durchdenke und erschöpfe, damit ich in diesem Sattel völlig gerecht bin, und auch um mit Leichtigkeit, ohne Kraft- und Zeit-Aufwand etwas lesbares für die Thalia zu jeder Zeit schreiben zu können. Bald werde ich Dich mit meinen Untersuchungen und Entdeckungen zu unterhalten den Anfang machen und die verabredete Correspondenz einleiten. – Herzliche Grüße an M. und D. – An D. habe ich geschrieben und die Bücher mitgeschickt, die ihr jetzt haben werdet.

Dein S.