HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 16. Juni 1800

Schiller an Gottfried Körner, 16. Juni 1800

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Weimar, 16. Jun. [Montag] 1800.

Ich darf mich diesmal meines langen Stillschweigens nicht schämen: meine Arbeit besaß mich so ganz, daß ich an nichts anderes denken durfte; und erst jetzt, nachdem ich sie geendigt, darf ich mich meiner alten Schulden erinnern. Ich habe mich einige Wochen nach Ettersburg zurückgezogen, wo ich bloß mit meinem Bedienten in einem weimarschen Schlosse lebte und die Maria Stuart beendigte. Die vorige Woche kam ich zurück und dirigirte die Proben auf dem Theater; vorgestern ist sie gespielt worden, und mit einem Succeß, wie ich ihn nur wünschen konnte. Ich fange endlich an, mich des dramatischen Organs zu bemächtigen und mein Handwerk zu verstehen. Das Manuscript sende ich Dir, sobald die dringenden Bestellungen expedirt sind, denn ich muß die zwei ersten Abschriften, die gemacht werden, nach Berlin und Leipzig senden. Doch hoffe ich Dir das Stück nebst dem Wallenstein, der bis auf die zwei letzten Bogen gedruckt ist, spätestens in 10 Tagen zusenden zu können. Einstweilen erhältst Du den Macbeth, daß Du bis dahin doch etwas von mir zu lesen hast. Vergleiche ihn genau mit dem Original und den bisherigen Uebersetzungen. Freilich macht er gegen das englische Original eine schlechte Figur; aber das ist wenigstens nicht meine Schuld, sondern der Sprache und der vielen Einschränkungen welche das Theater nothwendig machte.

Mit meiner Gesundheit ging es in den zwei letzten Monaten sehr gut. Ich habe mir viele Bewegung gemacht, lebe jetzt viel in der Luft, man sieht mich wieder auf der Straße und an öffentlichen Orten, und ich komme mir selbst sehr verändert vor. Dies ist zum Theil das Werk meiner Thätigkeit; denn ich befinde mich nie besser, als wenn mein Interesse an einer Arbeit recht lebendig ist. Ich habe auch deswegen schon zu einer neuen Anstalt gemacht.

Meine Frau, die Euch herzlich grüßt, ist auch immer recht wohl gewesen, auch meine zwei Jungens sind recht wohl, und das Kleine leidet jetzt nur an den Windblattern, wobei sie aber doch recht ruhig und ohne alle bösen Zufälle ist.

Grüße Minna und Dorchen aufs herzlichste von mir und laß mich bald etwas von Euch hören.

Dein Sch.

P. S. Dieser Brief blieb einen Posttag liegen. Unterdessen kam Dorchens Paket. Meine Frau dankt schönstens für die Besorgung und schickt hier das Geld. Noch einmal unsere herzlichen Grüße.