HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 16. Mai 1790

Schiller an Gottfried Körner, 16. Mai 1790

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Jena, 16. May [Sonntag] 1790.

Die Ferien sind vorbey und ich bin wieder im Geschirr; doch mehr in Göschens als der Akademie und ich lasse mir Geschäfte die schönen Maytage nicht verderben.

Es lebt sich doch ganz anders an der Seite einer lieben Frau als so verlassen und allein – auch im Sommer. Jezt erst genieße ich die schöne Natur ganz und mich in ihr. Es kleidet sich wieder um mich herum in dichterischen Gestalten, und oft regt sichs wieder in meiner Brust. Das akademische Karrenführen soll mir doch nie etwas anhaben. Freilich, zu einem musterhaften Professor werde ich mich nie qualifiziren; aber dazu hat mich ja die Vorsehung auch nicht bestimmt. Erwarte also von mir wenig Compendien, aber desto gewisser etwas anderes.

Zu meinem Vergnügen und um doch für meine 200 Thaler etwas zu thun, lese ich, neben einem Privatum über die Univ. Geschichte noch ein Publicum über den Theil der Aesthetik, der von der Tragödie handelt. Bilde Dir ja nicht ein, daß ich ein ästhetisches Buch dabey zu Rathe ziehe. Ich mache diese Aesthetik selbst, und darum wie ich denke um nichts schlechter. Mich vergnügt es gar sehr, zu den mancherley Erfahrungen, die ich über diese Materie zu machen Gelegenheit gehabt habe, allgemeine philosophische Regeln und vielleicht gar ein scientifisches Prinzip zu finden. Es legt sich mir alles bis jetzt bewundernswürdig schön auseinander, und manche lichtvolle Idee stellt sich bey dieser Gelegenheit mir dar. Die alte Lust zum philosophiren erwacht wieder, und am Ende kommt es auch wieder an Julius und Raphael.

Zugleich gibt mir diese Arbeit einen nicht uninteressanten fortlaufenden Stoff für die Thalia, und daß sie die Studenten interessirt, kannst Du Dich leicht einbilden.

Gestern war ich in Weimar mit meiner Frau, wo wir auch Herders besuchten. Er hat kürlich eine schwere Hämorrhoidalkrankheit ausgestanden und ist noch nicht ganz wieder hergestellt. Wir fanden ihn bei guter Laune und waren sehr vergnügt. Er ist ein ganz anderer Bewunderer meiner Univ. hist. Uebersicht in den Memoires, als Du. Du willst mich im philosophiren über Geschichte noch gar nicht gelten lassen. Meine Übersicht macht bey vielen Sensation, und ich denke von ihr noch ebenso wie vorhin. Bekehre Dich also ja.

Ich freue mich wieder sehr auf Nachricht von Dir. Wie geht die Appellationsangelegenheit? Du bist jetzt wieder auf dem Weinberg und Dir ist wohl. Schreibe mir doch in Deinem nächsten Brief welche Adresse Du an Hubern gebraucht, die recht sicher ist. Ich möchte ihn über allerley fragen, was nicht von einem dritten gelesen werden darf, und Forster ist jetzt nicht in Maynz, an den ich sonst den Brief schicken könnte.

Frage Du Herrn von Funk, ob er sich entschließen will die Neue Edition der Sullyschen Memoires in 7 Oktavbänden zu übersetzen. 100 Louisd’or will ich ihm dafür geben, und fertig muß er seyn in einem Jahr.

Grüße Minna und Dorchen herzlich von mir und meiner Frau. Lebewohl.

Dein S.