HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 18. Mai 1794

Schiller an Gottfried Körner, 18. Mai 1794

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Jena den 18. May [Sonntag] 94.

Nur in 2 Worten schreibe ich Dir, daß ich seit 3 Tagen glücklich hier angekommen bin. Wir haben die 9tägige Reise recht wohl überstanden, und der Kleine befand sich ganz vortrefflich, daß er uns weit mehr zur Freude als zur Last gereichte. Hier in Jena erhielt ich Deinen Einschluß von Humboldt, und wünsche Dir zu dem glücklichen Gang der Inoculation bey Deinen Kindern herzlich Glück. Jetzt hast Du doch das schlimmste überstanden, und kannst Dich nun erst deiner Familie recht freuen. Humboldt spricht mit wahrer Begeisterung von Deiner Bekanntschaft, und mir geht immer das Herz auf, wenn er von Dir spricht. Er wird mir Deine Briefe mittheilen, und so hast Du es künftig mit uns beiden zu thun. Welches Leben wird das seyn, wenn Du hierher kommst und die Dreieinigkeit vollendest. Humboldt ist mir eine unendlich angenehme und zugleich nützliche Bekanntschaft; denn im Gespräch mit ihm entwickeln sich alle meine Ideen glücklicher und schneller. Es ist eine Totalitaet in seinem Wesen, die man äußerst selten sieht, und die ich außer ihm nur in Dir gefunden habe. Er hat zwar vor Dir sehr viel an einer gewissen Leichtigkeit voraus, die man sich in seinen Verhältnissen leichter erwerben kann, als in den unsrigen; aber was er auf der Oberfläche gegen Dich gewinnt, das gewinnst Du reichlich gegen ihn an Tiefe.

In der neuen Ausgabe seiner philosophischen Religionslehre hat Kant sich über meine Schrift von Anmuth und Würde herausgelassen, und sich gegen den darinn enthaltenen Angriff vertheidigt. Er spricht mit großer Achtung von meiner Schrift und nennt sie das Werk einer Meisterhand. Ich kann Dir nicht sagen, wie es mich freut, daß diese Schrift in seine Hände fiel, und daß sie diese Wirkung auf ihn machte. Bald mehreres. Tausend Grüße von uns beiden an euch alle.

Dein Sch.