HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 20. April 1786

Schiller an Gottfried Körner, 20. April 1786

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Dresden, 20. April [Donnerstag] 1786.

Wahrlich, ich fange an zu glauben, daß Ihr Narren seid; denn so viel Glück als Euch auf Eurer Reise begleitet, würde keinem gescheidten Menschen zu Theil werden. Mitten im April entschließt sich der Himmel seine Natur zu verleugnen, die Elemente werden ihren Grundsätzen ungetreu, und die ganze Natur giebt sich ein öffentliches „Dömahnti“, und warum? – um den jüngsten Ober-Consistorialrath Körner aus Dresden mit seiner hoffnungsvollen Frau und seiner hoffnungslosen Schwägerin angenehm reisen zu lassen. Und was habe ich armer Versifex von der ganzen Schönheit des Wetters? Just eben jetzt, da ich’s allein genießen muß und also gar nicht genieße? Mich macht es verdrießlich, denn es erinnert mich an etwas, das mir fehlt – bald hätte ich gesagt, daß ich Euch vermisse! Alles lebt und webt hier und freut sich und fliegt aus und liebt und begattet sich, und ich – mein Zustand ist trostlos,

Und ich Armer muß allein
trauern und verlassen sein,
blicken nach den Sphären!
Will mich keine Charitin,
Muse, Nymphe, Schäferin,
will mich keine hören?

Im Ernst, ich bin’s nachgerade überdrüßig, in meiner eigenen Gesellschaft zu sein. Man kann mir ohnehin nicht nachsagen, daß ich ein Spaßmacher oder, wie es unsere Weiberchen heißen, ein angenehmer Gesellschafter sei unter fremden Personen, vollends aber mir Spaß vorzumachen! Wahrhaftig, da ist Auditorium und Erzähler gleich schlecht. Hätte mir mein Freund Archenholz nicht zum Glück noch seinen gedruckten Brief an Neumann geschickt und mir seinen Besuch auf übermorgen angekündigt, wäre nicht gestern der Pachter aus Elysium bei mir gewesen, und hätte er mich nicht zu einer großen Wasserreise nach Wittenberg (in seiner Gesellschaft zwischen Himmel und Wasser auf einigen Brettern, rechts und links die Elbe, daß man nicht ausweichen kann und in seiner Gesellschaft) –, ja wo blieb ich? hätte er mich nicht zu einer Reise nach Wittenberg auf der Elbe beredet, und versteht sich auch schon gänzlich gestimmt; hätte nicht der Professor Becker einen Morgenspaziergang nach Deinem Weinberge vorgeschlagen; ja und hätte mir nicht das himmlische Antlitz meiner Hausfrau, der Frau Hofgärtnerin freundlichst gelächelt – wäre alles das nicht geschehen, welch eine Existenz für mich! So aber seht Ihr leicht ein, könnte ich Eure Abwesenheit gar wohl verschmerzen, wenn ich nicht eben einige seltsame Capricen hätte. Ich hoffe übrigens, da ich Eure Freundschaft zu mir kenne, Ihr werdet einer Neuigkeit, die mich sehr nahe angeht, Eure Theilnahme nicht versagen, und dem Glücke Eures Freundes eine Thräne der Freude weihen. Ich entdecke Euch also, daß – – daß mich die Neumann’sche Familie schätzt, wie mir Archenholz betheuert hat.

Der Huber ist ein Schlingel – ich meine den Sohn – daß er zurückbleiben will. Du sollst Vater und Mutter verlassen und Deinem Weibe anhängen, heißt’s in der Bibel, und hier ist noch etwas darüber. – Aber so viel kann Richter’s Caffeehaus und die kindliche Pflicht! Den Mai nicht in Dresden bei uns zuzubringen! Den Monat der Freude! Pfui .. aber laßt Kunzens diesen Brief nicht lesen.

Ich muß Euch den Stadtrichter noch einmal vorführen. Ich habe ihm seinen Vorschlag nicht ganz abgeschlagen, weil ich mir gern eine kleine Lust mit ihm machen möchte. Er ist ganz närrisch in die Idee verliebt, besonders da sie sich auf die höchste Ersparniß gründet. Der schäbichte Geizhals muß reisen, und unter allen möglichen Sorten von Reisen ist ihm diese die wohlfeilste. Er hat ausgerechnet, daß der Nachen bis Wittenberg 12 Thlr. kosten sollte. Wenn wir nun zu 4 wären, so käme er für 3 Thlr. Nach Wittenberg. Daher die Sehnsucht nach meiner Gesellschaft. Ich sagte ihm, daß ich unendlich gern von der Partie wäre, wenn ich nicht fürchtete Euch zu beleidigen. Ich hätte die Reise nach Leipzig ausgeschlagen, und würde also nicht wohl eine andere in Vorschlag bringen dürfen, ohne Euch im höchsten Grade zu erzürnen, sagte ich. Das beste wäre, rieth ich ihm, er steckte sich hinter Euch und suchte es durch seine Beredsamkeit und seinen Einfluß dahinzubringen, daß Ihr selbst mir den Vorschlag machtet und es von mir fordertet. Das wird nun ein himmlischer Spaß werden, wenn Euch der Pinsel auf den Zahn fühlt. Alsdann rechne ich darauf, daß die Minna mich batzt, und da werde ich’s schief aufnehmen und zum Trotz da bleiben. Der Stadtrichter wird als ein Eintrachtstörer von Euch und von mir angeklagt, und er soll Blut schwitzen. Das für seinen Geiz!

Schreibt mir doch pünktlich, wann Ihr ungefähr in Meißen eintreffen werdet, daß ich mich danach richten kann. Die Zimmer sind gebohnt und gedielt. Freilich die schönsten Bretter sind es nicht, dazu war Mademoiselle Faust viel zu geizig.

Apropos, Herr Ober-Consistorialrath, Du mußt in Zerbst ganz schrecklich unruhige Stunden gehabt haben, weil ich in der ersten ruhigen einen Brief von Dir kriegen sollte, und noch darauf warte; doch Du hast ihn vielleicht über Nürnberg laufen lassen, ich will mich also immer noch gedulden. Den meinigen, den ich Dir nach Zerbst schrieb, hast Du hoffentlich bekommen. Es war ein Einschluß von Weimar an Dich darin.

Gearbeitet habe ich noch nichts, aber sobald Ihr wieder hier seid, geht das rasch und warm weg; denn ich habe mir Einiges vorweg geschafft.

Herzlich sehne ich mich nach unserer Wiedervereinigung, das muß ich gestehen. Unterdessen, meine Lieben, denkt zuweilen an mich. – Whist habe ich noch nicht gespielt, überhaupt noch keine Karte in der Hand gehabt, seitdem Ihr fort seid. Ich glaube, jetzt habe ich’s überwunden.

Grüßt mir die gute Kunze’sche Geschichte recht herzlich. In einigen Monaten kommen wir ja alle zusammen. Was macht denn die Schneidern? Ihr seht sie doch auch und werdet sie recht schön von mir grüßen.

Noch einmal lebet wohl – Körner, Minna, Doris und Huber! Daß der verfluchte Kerl nicht mir zurückkommt! Ich sehne mich ungeduldig nach Eurer Umarmung.

Fridrich S.