HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 20. November 1797

Schiller an Gottfried Körner, 20. November 1797

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Jena, 20. Nov. [Montag] 97.

Diesen Mittag überraschte mich Goethe, der mit Meyern aus der Schweiz wieder zurück ist.

Von Geßlern sagte mir Meyer, er habe für ganz gewiß von seinen römischen Bekannten erfahren, Geßler habe ein Engagement mit einem hübschen römischen Mädchen, von gemeiner Herkunft und nicht der besten Conduite; und soll sie wirklich geheirathet haben. Er erzählte mir so viel Particularitäten davon, daß ich kaum daran zweifeln kann. Den Eltern und einer Schwester von ihr, mit der er auch anfangs gelebt, bezahle er eine Pension. Das Mädchen soll aus der Connaissance der jungen Künstler seyn, und, ich glaube, auch zum Modell gedient haben. Suche nun dieser Nachricht auf die Spur zu kommen. Geßler dauerte mich sehr; denn das Mädchen soll auch erschrecklich stehlen und gar liederlich seyn. Geßler wäre fürchterlich düpirt.

Humboldt hat mir vor etwa drei Wochen aus München geschrieben, daß er direct nach Basel gehe und dort seinen weitern Entschluß, die Pariser Reise betreffend, fassen würde.

Goethen hat seine Reise recht gut zugeschlagen; so auch Meyern, der viel gesunder zurückgekommen ist.

Ich habe in diesem Monat durch Nichtschlafen wieder viele Zeit verloren; welches mir doppelt leid war, weil ich mit dem Wallenstein recht im Train war. Es ist nun entschieden, daß ich ihn in Jamben mache; ich begreife kaum, wie ich es je anders habe wollen können, es ist unmöglich, ein Gedicht in Prosa zu schreiben. Alles was ich schon gemacht muß anders werden, und ist es zum Theil schon. Es hat in der neuen Gestalt ein ganz anderes Ansehen, und ist jetzt erst eine Tragödie zu nennen.

Lebewohl für heute und schicke bald Deinen kritischen Brief über den Almanach. – Herzlich umarmen wir Euch.

Dein S.