HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 21. September 1795

Schiller an Gottfried Körner, 21. September 1795

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Jena, den 21. September [Montag] 1795.

Hier das letzte Paket. Möge es gute Aufnahme finden. Die Elegie machte mir viel Freude. Unter allen meinen Sachen halte ich sie für diejenige, welche die meiste poetische Bewegung hat, und dabei dennoch nach strenger Zweckmäßigkeit fortschreitet.

Es freut mich, daß die Schatten Dich befriedigt haben. Darin bin ich aber nicht Deiner Meinung, daß mein System über das Schöne der nothwendige Schlüssel dazu ist. Es harmonirt natürlicherweise ganz damit; aber im übrigen ruht es auf den currenten Begriffen, nur nicht auf den Sulzerschen, davon es freilich, und zu seinem Glücke, der Antipode ist. Der Begriff des uninteressirten Interesse am reinen Schein, ohne alle Rücksicht auf physische oder moralische Resultate, der Begriff einer völligen Abwesenheit einschränkender Bestimmungen und des unendlichen Vermögens im Subjecte des Schönen u. dgl. leiten und herrschen durch das Ganze. Ich möchte aber einmal Deine Zweifel gegen mein System genau wissen; denn ich kann mir noch keinen Begriff davon machen, was an meinem System noch unbestimmt oder willkürlich seyn könnte. Hast Du Zeit, so durchlaufe es in einem Briefe an mich von dem – sehr wichtigen – achtzehnten Briefe an bis zum zweiundzwanzigsten oder dreiundzwanzigsten: so können wir miteinander darüber ins reine kommen.

Ich arbeite jetzt an einem Aufsatz über das Naive, der mir viel Freude macht. Dieser Materie hat mich zu verschiedenen Betrachtungen über die Dichter alter und neuer Zeit veranlaßt, auch eine neue Eintheilung derselben mir an die Hand gegeben, die fruchtbar zu werden scheint. Sobald die erste Lieferung, die eigentlich nur Einleitung ist, fertig geworden, sende ich sie Dir noch vor dem Abdruck zu. Zwischenein werde ich aber noch fortfahren zu dichten, da es doch einmal so frisch von Statten geht. Nach allem, was Du jetzt von mir gelesen, stelle mir nur die Nativität, an was ich mich in der Poesie nun vorzüglich hängen soll; denn Deine philosophische Ode, wie Du sie nennst, halte ich für keine Grenze, bloß für eine Branche meines Faches. Vergleiche die neuen Arbeiten mit den alten, und urtheile, ob sie mehr oder weniger wahrhaft dichterisch sind.

Von Dir selbst erwarte ich in etlichen Wochen doch auch etwas zu lesen. – Deinen Tanz habe ich nach Berlin gesendet, wenn es etwa noch Zeit wäre ihn zu stechen. Es machte mir viel Freude, und Du könntest in anonymer Stille über Deinen musikalischen Behuf urtheilen hören.

S.