HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 23. September 1801

Schiller an Gottfried Körner, 23. September 1801

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Weimar 23. Sept. [Mittwoch] 1801.

Wir sind nun drei Tage hier und ich bin noch immer in Gedanken bei euch; es war mir eine so angenehme Gewohnheit geworden, euch Abends zu sehen, daß ich mich in meiner hiesigen Existenz noch ganz fremd fühle. Habt noch einmal tausend Dank Ihr Lieben, für alle Freude, die ihr uns gemacht hat, ich habe nun wieder innig empfunden, daß ich bei euch zu Hause bin, daß ich zu euch gehöre, und daß wir einander nur sehen dürfen, um den herzlichen Bund früherer Zeit im Augenblick wieder herzustellen.

Hier haben uns bei unserer Zurückkunft mancherlei Zerstreuungen empfangen. Die Unzelmann war eben angekommen, und gleich den Tag nach meiner Ankunft wurde Maria Stuart gegeben. Die Unzelmann spielt diese Rolle mit Zartheit und großem Verstand; ihre Deklamation ist schön und sinnvoll, aber man möchte ihr noch etwas mehr Schwung und einen mehr tragischen Stil wünschen. Das Vorurtheil des beliebten Natürlichen beherrscht sie noch zu sehr, ihr Vortrag nähert sich dem Conversationston, und alles wurde mir zu wirklich in ihrem Mund; das ist Ifflands Schule und es mag in Berlin allgemeiner Ton seyn. Da, wo die Natur grazios und edel ist, wie bei Mad. Unzelmann, mag man sichs gerne gefallen laßen, aber bei gemeinen Naturen muß es unausstehlich seyn, wie wir schon in Leipzig bei der Vorstellung der Jungfrau v. O. gesehen haben.

Göthen habe ich wohl aussehend und gesünder als vor der Reise gefunden. Ich habe noch wenig mit ihm sprechen können, weil ihn, außer den theatralischen Dingen und dadurch veranlaßten Gesellschaften, die Ausstellung der eingesandten Preißstücke beschäftigt. Es sind jezt in allem 22 Preißstücke eingekommen, außer einem ganzen Saal voll anderer Kunstwerke: Nahls, Catels, Burys und mehrerer anderer welche wirklich zum Theil sehr schön und sehenswürdig sind. Das Institut scheint in Aufnahme zu kommen, und leicht könnte in einigen Jahren eine allgemeine Kunstausstellung der neuesten Künstlerwerke bei uns zu Stande kommen. Göthe läßt die Entree bezahlen, und der Ertrag wird zu dem Preiß geschlagen. Uebrigens finde ich nicht, daß sich die deutschen Künstler seit dem vorigen Jahr viel gebeßert haben. Die zwei Aufgaben sind von keinem einzigen befriedigend gelößt.

Ich habe den Engländer Beresford hier gefunden, und Deinen Auftrag wegen des Naumannischen Vaterunsers an ihn bestellt. Er hat schon von Wien aus die Aufforderung erhalten, Haidns Jahreszeiten zu übersetzen, und ist sehr dazu geneigt. Schicke mir die Worte des VaterUnsers und wo möglich etwas von Melodie dazu, daß er sich darnach richten kann; entweder er, oder Mellish, der jezt auch hier ist, wird die Uebersetzung besorgen.

An die Arbeit habe ich noch nicht denken können, und es werden wohl noch einige Tage hingehen, eh ich mich sammle.

Die lieben Kinder haben wir ganz gesund und vergnügt wieder gefunden; auch einen Brief von meiner Mutter fand ich, der mich über meine Familie in Schwaben ganz beruhigt.

Dem lieben Graf Gessler und dem treuen guten Schönberg unsre herzlichsten Grüße. Stets werden wir uns ihrer mit Liebe und innigem Antheil erinnern. Euch alle und die lieben Kinder umarme ich tausendmal.

Dein Sch.