HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 26. November 1790

Schiller an Gottfried Körner, 26. November 1790

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Jena, 26. November [Freitag] 1790.

Das eilfte Stück der Thalia wird nun wohl in Deinen Händen seyn, und die Bogen von dem Menschenfeind. Hätte ich irgend noch den Gedanken gehabt, ihn auszuarbeiten, so wäre er nie in die Thalia eingerückt worden; aber diesen Gedanken habe ich nach der reifsten kritischen Überlegung und nach wiederholten verunglückten Versuchen aufgeben müssen. Für die tragische Behandlung ist diese Art Menschenhaß viel zu allgemein und philosophisch. Ich würde einen äußerst mühseligen und fruchtlosen Kampf mit dem Stoffe zu kämpfen haben, und bei aller Anstrengung doch verunglücken. Komme ich je wieder in die tragische Laufbahn, so will ich mich nicht wieder aussetzen, das Opfer einer unglücklichen Wahl zu werden, und meine beste Kraft in einem vergeblichen und mir nie gedankten Streit mit unüberwindlichen Schwierigkeiten zu verschwenden.

Überhaupt, wenn ich mich mit einem alten oder neuen Tragiker jemals messen soll, so müssen die Umstände gleich seyn, und nichts muß der tragischen Kunst entgegenarbeiten, wie es mir bisher immer begegnete.

Das Arbeiten im dramatischen Fache dürfte überhaupt noch auf eine ziemlich lange Zeit hinausgerückt werden. Ehe ich der griechischen Tragödie durchaus mächtig bin und meine dunklen Ahnungen von Regel und Kunst in klare Begriffe verwandelt habe, lasse ich mich auf keine dramatische Ausarbeitung ein. Außerdem muß ich doch die historische Wirksamkeit soweit treiben, als ich kann, wärs auch nur deswegen, um meine Existenz bestmöglichst zu verbessern. Ich sehe nicht ein, warum ich nicht, wenn ich ernstlich will, der erste Geschichtschreiber in Deutschland werden kann; und dem ersten müssen sich doch auf jeden Fall Aussichten eröffnen.

Göschen wird in acht oder zehn Tagen hier seyn, und da bin ich willens, mich auf ein Unternehmen mit ihm einzulassen, das mit meiner ganzen Verfassung sehr genau verbunden sein wird. Ich trage mich schon seit anderthalb Jahren mit einem deutschen Plutarch. Es vereinigt sich fast alles in diesem Werke, was das Glück eines Buches machen kann, und was meinen individuellen Kräften entspricht. Kleine, mir nicht schwer zu übersehende Ganze und Abwechselung, kunstmäßige Darstellung, philosophische und moralische Behandlung. Alle Fähigkeiten, die in mir vorzüglich und durch Übung ausgebildet sind, werden dabei beschäftigt; die Wirkung auf das Zeitalter ist nicht leicht zu verfehlen. Du kannst ergänzen, was ich nicht alles darüber sagen mag.

Dieses Werk möchte ich mit der gehörigen Muße ausarbeiten, und da dürften dann jährlich nicht mehr als zwei kleine Bände, ungefähr wie der Geisterseher gedruckt, von mir gefordert werden. So viel aber gedächte ich mit aller Lust und Reife beendigen zu können. Göschen hat alle mögliche Hoffnung auf einen ungewöhnlichen Abgang zu rechnen, weil das Werk für beide, den Gelehrten und die Lesewelt, für das Frauenzimmer und die Jugend wichtig wird. Ich fordere von ihm drei Louisd’or, daß ich etwa siebenhundert Thaler davon ziehe. Wenn er zweitausend verkauft, so bleibt ihm immer ein Profit von achthundert Thalern. Um einen wohlfeileren Preis arbeite ich es nicht aus, oder nehme einen andern Buchhändler. Dies ist, was ich bei der nächsten Zusammenkunft mit ihm abthun werde, und so erhält meine schriftstellerische Thätigkeit eine gewisse solide Bestimmung, Gleichförmigkeit und Ordnung. Ich hänge nicht mehr vom Zufall ab, und kann auch Ordnung in meine Recherchen und meinen ganzen Leseplan bringen. Das Collegienlesen liegt dann auch nicht außer meinem Wege, und ist als eine nicht unnütze Zerstreuung zu betrachten. Schreibe mir Deine Gedanken über diese Sache, und bald. Meine Frau grüßt schönstens.

Dein Sch.

P. S. Was Du von Funk schriebst, habe ich mir gerade so gedacht. Ich bezahle ihn von Messe zu Messe, wie ich es selbst werde.